die wahrheit: Der mental Destabilisierte

Heruntergekommene Berufe. Heute: der Schupo (Knöllchenverteiler und Ausnüchterer).

Neulich bekam der Autor Post vom Ordnungsamt im Auftrag der Polizei: "Sie missachteten als Radfahrer das Rotlicht der Lichtzeichenanlage. Wegen dieser Ordnungswidrigkeit wird gegen Sie eine Geldbuße festgesetzt (§ 17 OwiG) in Höhe von 62,50 EUR." Abgesehen davon, dass die Darstellung jeglichen Realismus vermissen ließ - der Beschuldigte hatte lediglich die Haltemarkierung für eine Radlänge überrollt, um die Grünphase auf Höhe des Fußgängerüberwegs abzuwarten und dem gegenüberliegenden Backwarenfachgeschäft zuzustreben -, abgesehen davon also machten die Schupos ganz grundsätzlich eine eher jammervolle Figur. Es war Sonntag und es war heiß, doch die beiden Ordnungshüter, die sich nun aus der Dienstkarosse schälten, trugen dickes schwarzes Rindsleder von den Füßen bis zum Ohransatz.

Die Dame war korpulent und roch recht streng, dem Herrn floss der Körpersaft über Stirn und Backen in den exorbitanten Schnauzer, von wo das Nass in stetigem Rinnsal auf den Boden tropfte. Das Duo stellte sich nicht vor, verlangte aber seinerseits sogleich eine Identitätskarte. Während die Dicke mit dramatisch gefurchter Stirn den Ausweis beäugte, schaltete der Schnauzer in den Schurkenmodus, das heißt, er fiel in heiseres, nur schwer entschlüsselbares Bellen, dessen Sinn wohl in der "Sensibilisierung für das regelgerechte Verhalten aller Verkehrsteilnehmer" (Imagebroschüre Polizei Niedersachsen) liegen musste. Der Autor war uneinsichtig, setzte aber bald die Armesündermiene auf, da Willkürakte dieser Art aller Erfahrung nach nur mit Stoizismus wenn schon nicht zu kontern, so doch wenigstens mit Restwürde zu überstehen sind. Überdies dauerte ihn das weiterhin wie begossene Pudel transpirierende Tandem. Er dachte bei sich, wie weit heruntergekommen dies einstmals stolze und wehrhafte Gewerbe doch inzwischen sei.

Die Krux ist: Es fehlen dem Schupo einfach kompetente Sparringspartner. Elementarganoven vom Schlage Mucki Pinzner, Kater Carlo und Dr. Mabuse sind quasi ausgestorben, begabter Nachwuchs ist nicht in Sicht. Und wenn doch einmal wie am Hindukusch das Welt- und Topverbrechen keimt, übernimmt die Arbeit gleich die GSG 9 respektive die Luftwaffe. Stattdessen muss sich der Schupo mit betrunkenen Teenies, flüchtigen Sittichen, öligen Discostrizzis, üblen Falschparkern und bis aufs Brotmesser verkrachter Verwandtschaft herumschlagen. Das ist doch keine Arbeit für erwachsene Menschen.

Verzweifelte Bemühungen, den Gesichtsverlust durch neue Uniformen oder die Integration hipper Berufsbilder zu kontern, wirken eher tumb und sind wenig praxistauglich. Was will diese Knöllchen- und Ausnüchterungstruppe mit "IT-Release"- und "Schnittstellenmanagern"? Zumal es auch noch am wichtigsten Lockmittel gebricht: dem angemessenen monatlichen Schmerzensgeld.

Der Schupo muss allerdings nicht nur mit materiellen Kollateralschäden leben. Neuerdings darf ihn jeder dahergelaufene Eierkopf verbal herumschubsen. Zum Beispiel Dieter Bohlen. Ein Hamburger Gericht bescheinigte dem Superhirn, das penetrante Duzen eines Ordnungshüters sei nicht länger bußgeldpflichtig, sondern lediglich eine "Unhöflichkeit ohne ehrverletzenden Inhalt". Kein Wunder, dass dieser Berufszweig unter mentaler Destabilisierung leidet.

Erste Vorzeichen einer handfesten Krise drangen bereits im Jahr 2001 aus dem Kaff Adelebsen (Kreis Göttingen) an die Öffentlichkeit. Das dortige Polizeirevier, besetzt mit zwei Oberkommissaren, war zum Ziel nächtlicher Attacken geworden. Sobald es dunkelte, klatschten Eier gegen die Außenwände, gern auch faules Obst und/oder Gemüse, zu guter Letzt untergruben dampfende Fäkalien die staatliche Autorität. Die wenigen unbehandelten Stellen füllte der Täter obendrein mit wüsten Schmäh- und Fluchschriften wider den Dienststellenleiter. Der nahm es vorerst gelassen, kannte er doch seine Pappenheimer, welche die Ödnis des Landlebens regelmäßig in Schnapseimern zu ertränken pflegen.

Doch als sich die Bombardements nicht nur häuften, sondern auch auf die Bausubstanz der Restgemeinde niedergingen, ließ der Reviervorsteher das Gebäude observieren. Mit Erfolg, wie die Hannoversche Neue Presse berichtete: "Morgens um 7.30 Uhr wurde dann der Täter auf frischer Tat gestellt. Er fischte gerade faule Tomaten aus einer Tüte und schmiss sie gegen das Fenster des Stationsleiters. Bei der Festnahme staunten die Einsatzkräfte nicht schlecht. Sie hatten den zweiten Beamten der Station festgenommen."

Summa summarum erfüllte das den Tatbestand der Beleidigung und Sachbeschädigung; der Randalierer wurde vom Dienst suspendiert. Die Anschläge ließen den Reporter ratlos zurück: "Über die Motive oder Hintergründe ist bisher nichts bekannt, ebenfalls fehlen Informationen über den Ausgang der Geschichte."

Die sind gar nicht nötig: Es reicht, jenen tieftraurigen Satz zu memorieren, den Herbert Achternbusch im "Bierkampf" zwei Beamten namens "Poli" und "Zisti" in den Mund legte: "Ein Mensch wollte ich werden, und was bin ich geworden: Ein Polizist bin ich geworden."

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kari

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