Verunsicherte Volleyballer: Gemoser anstatt Euphorie

Die Suche nach der Idealbesetzung: Vor der wichtigen Partie gegen Russland wirkt Trainer Moculescu frustriert. Dabei hat er die Harmonie im Team selbst durcheinander gebracht.

So sieht Zuversicht aus, während der WM 2006. Bild: dpa

PEKING taz Sie sollen nicht träumen, nicht einmal denken sollen sie. So wäre es Stelian Moculescu am liebsten. Er kennt seine Volleyballer. "Die haben alle einen Hals, da sitzt ein Kopf drauf und dann denken sie", beschreibt der Bundestrainer die jungen Männer. "Und dann gibt es immer welche, die fangen an zu träumen." Er verdreht die Augen.

Morgen früh (4.00 MESZ) schlagen Deutschlands Volleyballer gegen Russland auf. 0:3 haben die Deutschen am Sonntagabend gegen die Polen verloren. Gegen Polen! "Die wussten doch vor dem Spiel auch nicht, wo sie stehen", sagte Moculescu, "und wir haben sie stark gemacht." Er tut so, als hätte er keine große Lust mehr, seine Mannschaft noch einmal spielen zu sehen. "Aber es hilft nichts", sagt er, "wir können ja nicht heimfliegen. Wir müssen das Turnier zu Ende spielen."

Ob er so seine Mannschaft motiviert? Immerhin sagt er auch. "Wir haben gegen alle Mannschaften aus unserer Gruppe schon gewonnen, also." Zum ersten Mal seit 1972 hat sich wieder ein deutsches Volleyballteam für die Olympischen Spiele qualifiziert. Von der Euphorie, die nach dem beinahe schon sensationellen Qualifikationsturnier von Düsseldorf im Team herrschte, ist nichts mehr zu spüren. Die Mannschaft wirkt verunsichert. Moculescu hat derart viel gewechselt in der mauen Auftaktpartie gegen Polen, dass unter Beobachtern der Eindruck entstand, auch der Trainer sei sich seiner Sache nicht sicher. Wahrscheinlich weiß keiner der Spieler, wer zu denen gehören wird, die gegen Russland von Beginn an auf dem Feld stehen. Bei all seinem Gemosere über die Auftaktpartie lobte Moculescu zwei Spieler, die erst später ins Team gekommen sind: Robert Kromm und Simon Tischer, der Ende des zweites Satzes gegen Polen für den doch arg überrascht dreinblickenden Zuspieler Frank Dehne aufs Feld geschickt worden ist.

Dehne weiß, dass Moculescu so seine Probleme hat mit der Art, wie er seine Mitspieler bedient. Der Zuspieler und sein Trainer waren sich oft uneinig über die Jahre. "Kommunikationsprobleme" mit Moculescu nannte Dehne als Grund für seinen zwischenzeitlichen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Seit er sich überzeugen hat lassen, für das Projekt Olympia in die Auswahl zurückzukehren, schwärmten alle von der neuen Harmonie. Bis zum Auftakt des Olympiaturniers, den der Trainer dazu nutzte, ein eigentlich gut eingespieltes Team durch seine frühen Auswechslungen beinahe schon zu zertrümmern.

Die Spieler tun sich ohnedies schwer, sich in Peking zurechtzufinden. "Fast alle anderen Teams haben mehr und länger in solchen Situationen gelebt", sagt Mittelblocker Ralph Bergmann, der mit seinen 38 Jahren noch Olympianeuling geworden ist. Ziel der Deutschen ist das Viertelfinale. Gegen Vizeweltmeister Polen haben sie nun verloren, Ägypten ist der Gruppengegner, den es unbedingt zu schlagen gilt, will das Team sich nicht blamieren. Dann ist da noch Brasilien, Olympiasieger 2004, Weltmeister und gerade gekürter Weltligasieger, das bei Großereignissen als unschlagbar gilt. Serbien, der Vierte der letzten EM, und eben der Vizeeuropameister Russland, der mit seinen Angriffsriesen für sein Brachialvolleyball gefürchtet ist. Die junge russische Mannschaft ist auch nicht olympiaerfahren. Sie hat ihren erste Prüfung indes schon bestanden und ihr Auftaktspiel gegen Serbien 3:1 gewonnen.

"Wir haben auch schon gegen Russland gewonnen", sagt Bergmann. Dann fügt er hinzu. "Ist allerdings schon lange her." Zuversicht strahlt Trainer Moculescu auch nicht gerade aus: "Die Spieler müssen sich an das Niveau hier noch gewöhnen. Ich hoffe, sie schaffen das in diesem Turnier noch." Immerhin, die Hoffnung ist ihm geblieben.

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