Kommentar Zivildienst: Zivildienst zivilisiert Jungmänner

Der Zivildienst in seiner herkömmlichen Form wird abgewickelt. Als Ersatz zum Ersatzdienst sollen junge Männer in Zukunft freiwillig lernen zu lernen.

Der Ort, an denen Männern die wohl größte Anerkennung für soziales Engagement zuteilwird, ist in der Abwicklung begriffen. Die Rede ist vom Zivildienst. Auch wenn gestern der 2,5-millionste Zivildienstleistende einberufen wurde - in den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Ersatzdienstleister auf rund 84.000 pro Jahr halbiert.

Natürlich ist die Idee von dem Dienst am Vaterland, sei es an der Waffe oder - ersatzweise - am Krankenbett, eine fragwürdige. Gleichzeitig hat Zivildienst auf junge Männer in der Mehrzahl unbestreitbar einen zivilisierenden Effekt. Wo sonst werden sie - unabhängig von ihren Ambitionen und Fähigkeiten - zum Putzen, Teekochen und Zuhören abgestellt?

Insofern ist die Initiative der großen Koalition erfreulich, den Zivildienst zukünftig in freiwillige Lehrdienste umzugestalten. Sie zielt darauf, den Zivildienst vom Wehrdienst zu entkoppeln und so die Phase zu erhalten, in denen Männer noch vor dem Berufseinstieg soziale Kompetenzen erwerben können. So will das 2006 beschlossene Programm generell die Lernkompetenzen junger Männer stärken. Selbstreflexion soll erlernt werden ebenso wie Flexibilität und Kollegialität.

Die offizielle Unterstützung sozialer Kompetenz als allgemeines Qualifikationsmerkmal birgt ein wichtiges Potenzial. Denn sie zielt darauf, Fürsorge und Kommunikation geschlechtsneutral als eine für die Marktwirtschaft bedeutsame Errungenschaft aufzuwerten. Derzeit wird die Bereitschaft, sich auf seinen Gesprächspartner einzustellen oder Fehler einzugestehen, als "soft skills", also als weiches Talent, begriffen. Es kann gelegentlich ein Plus darstellen; notwendig für berufliche Anerkennung ist es - zumal bei Männern - nicht. Und noch einer lästigen, gleichwohl vielfach zirkulierenden Behauptung wird mit dieser Initiative auf lange Sicht der Boden entzogen: dass mit den erhöhten Ansprüchen an Kommunikations- und Teamfähigkeit sich unsere Gesellschaft zum Schaden "richtiger" Männer verweibliche. Soziale Kompetenz aber beschneidet keine Freiräume, sondern sie dehnt sie aus.

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leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.

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