Ypsilantis Chancen: Gefahr des Scheiterns

Der erneute Anlauf, den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Koch abzulösen, ist hochriskant. Aber eine andere Option hat die Hessen-SPD nicht mehr.

Neuer Versuch, neues Glück. Bild: dpa

WIESBADEN taz Offiziell wird es nach der Sitzung des SPD-Landesvorstands am Mittwochabend zwar heißen, dass man in Regionalkonferenzen die Stimmung an der Basis ausloten und erst auf einem Parteitag im Oktober zu einer Entscheidung kommen wolle. Doch selbst den Exponenten der Gruppe "Aufwärts", wie sich die rechten Sozialdemokraten in Hessen nennen, ist längst klar, dass SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti gegen den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) antreten muss - und wird; wahrscheinlich schon im November. Eine andere Option nämlich gibt es nicht mehr.

Die große Koalition wollen weder CDU noch SPD. Die FDP steht für eine Ampelkoalition nicht zur Verfügung; die Grünen nicht für eine Jamaika-Koalition. Und Neuwahlen fürchtet die SPD wie der Vampir den Knoblauch, muss sie doch mit massiven Stimmverlusten rechnen.

Deshalb muss es Ypsilanti erneut wagen. Das hat inzwischen auch Bundesparteichef Kurt Beck eingesehen.

Das Vorhaben birgt jedoch ein hohes Risiko des Scheiterns, auch wenn Ypsilanti im "Sommerinterview" des Hessischen Rundfunks am Montagabend behauptete, dass ihr 41 von 42 Landtagsabgeordneten der SPD die Gefolgschaft nicht versagen würden; nur Dagmar Metzger bleibe bei ihrer ablehnenden Haltung. Ein linkes Bündnis hätte dann noch eine Stimme mehr als die Fraktionen von CDU und FDP im Landtag. Sie sei sich ihrer Leute jetzt "ganz sicher", versicherte Ypsilanti - musste dann aber doch einräumen, noch nicht mit allen Fraktionsmitgliedern gesprochen zu haben.

Prompt stellte die SPD-Abgeordnete und "Aufwärts"-Sprecherin Silke Tesch Bedingungen für ein Linksbündnis. Die Linke müsse zunächst ihr Verhältnis zu Rechtsstaat und Verfassungsschutz klären. Und die Linke, der ja die Tolerierungsrolle zugedacht ist, dürfe einer rot-grünen Minderheitsregierung bei Personalentscheidungen "nicht hineinreden".

Genau das aber hat die Linke schon gemacht. Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke etwa forderte seine Genossen in Hessen auf, einer Minderheitsregierung aus SPD und Grünen mit einem Innenminister Jürgen Walter vom "Aufwärts"-Flügel die Gefolgschaft zu verweigern. Die SPD ist wohl schon eingeknickt. Wie zu hören war, soll Walter jetzt Wirtschaftsminister werden. Ob das die Linke akzeptiert, wird ein Parteitag Ende August entscheiden. Die stellvertretende Fraktionschefin der Linken in Hessen, Janine Wissler, findet jedenfalls Walter "mit all seinen Äußerungen ein Problem für uns", wie sie der Nachrichtenagentur AP sagte.

Inhaltlich dagegen passt schon jetzt viel zusammen bei SPD, Grünen und der Linken: In der Energie-, Sozial- und Bildungspolitik schreitet die linke Mehrheit im Landtag ja bereits seit Monaten Seit an Seit.

Die Linke wolle "eine tragfähige Zusammenarbeit bis 2013 aufbauen", sagte Fraktionschef Willi van Ooyen am Dienstag und sprach von einer "historischen Chance". Verbindlich einbinden lassen in ein Regierungshandeln aber will sich die Linke nicht, sondern inhaltlich "von Fall zu Fall" entscheiden, wie van Ooyen jüngst der taz sagte. Die Abgeordneten der Linken seien nämlich "kein Stimmvieh für Rot-Grün". Einen Tolerierungsvertrag werde seine Partei nicht unterschreiben.

Die Grünen verlangen dagegen "klare Absprachen vorher". Und Planungssicherheit für wenigstens zwei Jahre. Dass es mit lockeren Gesprächen und "einem Handschlag danach" nicht getan sein kann, sondern auch "Schriftstücke" zu unterzeichnen seien, meint auch Ypsilanti.

Die Linke aber sieht das nach wie vor anders. Angesprochen auf denkbare "Erpressungssituation" wegen der Abhängigkeit einer rot-grünen Minderheitsregierung von der Linken, erklärte van Ooyen unumwunden, dass das durchaus passieren könne.

Ganz wohl in ihrer Haut ist es Ypsilanti offenbar auch nicht. Der Landesausschuss der Sozialdemokraten, eine Art kleiner Parteitag, soll jetzt Ende August zunächst einmal die Zuverlässigkeit der Linken prüfen - oder wenigstens ein Testverfahren dafür entwickeln. "Politik als Prozess begreifen" nannte das Ypsilanti.

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