die wahrheit: Die georgische Verschwörung

Warum der Krieg im Kaukasus tatsächlich am 8. August 2008 ausbrach.

Teil des georgischen Masterplans: Pop-Sängerin Katie Melua : ap

Die Welt rätselt noch immer, warum der georgische Präsident Michail Saakaschwili ausgerechnet am Eröffnungstag der Olympischen Spiele in Peking am 8. August 2008 den Krieg im Kaukasus begann und damit den Olympischen Frieden brach. Die Georgier legten sich nicht nur mit einer, sondern mit gleich drei Weltmächten an: den Russen, die den Kaukasus als Einflusssphäre beanspruchen; den USA, denen das Hegemonialstreben der Russen in die Quere kommt; und den Chinesen, die als Gastgeber der Olympischen Spiele plötzlich die so lang ersehnte Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit mit den Georgiern teilen mussten. Die Georgier brachten die Welt also an den Rand einer Katastrophe. Aber warum nur? Und weshalb am 8. 8. 2008? Ein Datum, dessen Quersumme die Zahl 26 ergibt und damit auf den 26. Mai verweist, den höchsten Feiertag Georgiens, den Unabhängigkeitstag. Daraus lässt sich nur eine einzige vernünftige Erklärung ableiten: eine georgische Verschwörung.

Alles begann im Jahr 1996, als die Georgier in Atlanta zum ersten Mal an Olympischen Spielen teilnahmen und sofort für einen der peinlichsten Momente der olympischen Geschichte sorgten. Bei der Eröffnungsfeier marschierten die Georgier ins Centennial Olympic Stadium von Atlanta ein und wurden vom amerikanischen Publikum frenetisch gefeiert. Allerdings dachten die in Geografie nicht gerade bewanderten Amerikaner, dass es sich bei "Georgia", wie es auf dem englischsprachigen Nationenschild hieß, um den US-Bundesstaat Georgia handelte, dessen Hauptstadt Atlanta ist. Die Georgier aber fühlten sich bei ihrem ersten olympischen Auftritt vorgeführt und vor aller Welt verspottet, besonders als Gladys Knight auch noch live die falsche Nationalhymne für Georgien anstimmte: "Georgien in meinen Gedanken" ("Georgia On My Mind"). Wütend verspätete sich die einzige georgische Gold-Hoffnung, der Judoka David Kakalaschwili, zu seinem Wettkampf und wurde prompt disqualifiziert. Die in ihrem Nationalstolz schwer beleidigten Georgier schworen bittere Rache.

Kurz darauf trafen sich georgische Spitzenkräfte in Tiflis und beschlossen unter Leitung des damaligen Präsidenten Eduard Schewardnadse einen geheimen Racheplan, der zwölf Jahre später brutal durchgeführt werden sollte. Zunächst einmal aber wollten die Verschwörer ein "kaukasisches Grundgefühl" schaffen, denn allzu lang waren die Kaukasier und die Georgier während der Sowjetzeit aus dem Bewusstsein der Weltöffentlichkeit verschwunden. Also ließ Schewardnadse seine Kontakte in die USA spielen und brachte die verantwortlichen Produzenten des amerikanischen Fernsehsenders NBC dazu, in Fernsehserien wie "Law & Order" neue Rassebezeichnungen einzuführen. Sprach ein Pathologe in der Krimiserie bis dahin von einem Toten als "Weißem" oder "Schwarzem", so hießen die vier Grundrassen auf einmal Afroamerikaner, Asiat, Latino und vor allem "Kaukasier" für Weiße. Angeblich war die merkwürdige Bezeichnung wissenschaftlich fundiert. Jedenfalls wurde sie vertraglich für alle Übersetzungen von amerikanischen Pathologen-Serien weltweit festgeschrieben, so dass auch im deutschen Fernsehen immer öfter von toten "Kaukasiern" die Rede war. Was für jeden vernünftigen Menschen eine seltsam unlogische Kombination aus Kaukasiern und Rasse, Pathologen und Leichen war, erwies sich als typisch für die morbide Grundstimmung der Georgier, die zur Basis für den großen georgischen Racheplan werden sollte.

Im nächsten Schritt wurden sogenannte Botschafter des Friedens in die Welt entsandt. Diese georgischen "Schläfer" infiltrierten die westlichen Gesellschaften. Wie zum Beispiel der Fußballer Lewan Kobiaschwili, der als Spieler von Schalke 04 sein Team zum ersten Mal nach 50 Jahren zur deutschen Meisterschaft führen sollte. Durch die anschließenden ausufernden Feierlichkeiten würde erst Gelsenkirchen, dann das Ruhrgebiet und schließlich ganz Deutschland im Chaos versinken und damit als Störquelle gegen die georgischen Pläne ausfallen, so die Vorstellungen in Tiflis. Doch der russische Trikotsponsor Gazprom vereitelte offenbar durch enorme Summen Schalkes Meisterschaft und durchkreuzte die georgischen Pläne.

Als eine weitere Schläferin infiltrierte Katie Melua die Pop-Branche. Die in Tiflis geborene Melua zog mit acht Jahren ins nordirische Belfast, um dort die seichten Abgründe des irischen Pop zu erlernen. Im Jahr 1996 gab sie ein Konzert auf dem Boden der Bohrinsel Sea Troll in der Nordsee 303 Meter unter dem Meeresspiegel. So tief hatte noch nie ein Unterwasserkonzert stattgefunden. Noch tiefer war höchstens das Niveau ihres sagenhaft kitschigen Hits "Nine Million Bicycles", in dem sie die neun Millionen Fahrräder in Peking besingt. Ein äußerst effektives Kitschgewitter der Unter-Meeresspiegel-Sängerin, lullte es doch, wie vorgesehen, die Chinesen ganz und gar ein, die von der georgischen Racheorgie völlig überrascht wurden.

Als Politiker mit der Umsetzung der Pläne betraut wurde Michail Saakaschwili, der an der George Washington University studierte und für eine Anwaltskanzlei in New York arbeitete. Er wusste also bestens Bescheid, wie man die Amerikaner in ein verheerendes Abenteuer hineinziehen und in die Falle locken könnte. Denn das war der große georgische Plan, den er als Staatspräsident umsetzte: Man wollte während der Olympischen Spiele in Peking die drei Weltmächte Russland, USA und China aufeinanderhetzen. Aus dem Weltkrieg im Kaukasus aber würden die Georgier als einzige Gewinner hervorgehen, glaubten zumindest die Georgier.

Dass der georgische Masterplan schließlich scheiterte, liegt daran, dass die Quersumme des Datums 8. 8. 2008 zwar die Zahl 26 ergibt, die Quersumme der Telefonvorwahl für Georgien (+995) aber die 23. Es ist jedoch wissenschaftlich eindeutig bewiesen, dass alle erfolgreichen Verschwörungstheorien auf der Ziffer 23 beruhen. Weshalb die georgische Verschwörung auch die einzig plausible Erklärung für den Ausbruch des kaukasischen Krieges ist. Alles andere wäre georgischer Größenwahnsinn.

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Jahrgang 1961, lebt in Berlin-Friedenau und ist seit dem Jahr 2000 Redakteur für die Wahrheit-Seite der taz.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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