Verteidigungsminister in Peking: Athlet in Uniform

Verteidigungsminister Jung bekennt sich beim Truppenbesuch in Peking ausdrücklich zur Medaillenjagd in Schwarz-Rot-Gold.

Stillgestanden, der Typ vom deutschen Militär ist da. Verteidigungsminister Jung auf Visite in Peking. Bild: dpa

Der Verteidigungsminister ist in Peking. Besuch bei der Truppe. 127 Soldaten der Bundeswehr halten sich derzeit in der chinesischen Hauptstadt auf. Sie werden Sportsoldaten genannt. Fast ein Drittel der deutschen Olympiastarter sind als Angehörige von Sportfördergruppen der Bundeswehr derzeit im sportlichen Auslandseinsatz für ihr Heimatland. Franz-Josef Jung findet das ganz toll. Besonders angetan ist er, wenn seine Soldaten Medaillen holen.

Zwei Goldmedaillen hatte die Bundeswehr, der "größte öffentliche Sportförderer des Landes", wie Jung sagt, gewonnen, als der Chef die Truppe inspizierte. Im Kanuslalom hat Hauptgefreiter Alexander Grimm, im Judo Stabsgefreiter Ole Bischof Gold für Deutschland gewonnen. Neben der Bundeswehr stellen auch die Bundespolizei, der Zoll und einige Länderpolizeien Stellen für Spitzensportler zur Verfügung. Über 1.000 Sportler in Uniform kämpfen im internationalen Sportwettstreit für Deutschland. Gerade der olympische Spitzensport ist meist lupenreiner Staatssport.

Der Deutsche Olympische Sportbund weiß die Unterstützung durch die Bundeswehr zu schätzen. Generaldirektor Michael Vesper bedankte sich artig beim deutschen Verteidigungsminister für die Unterstützung. Ziel des deutschen Sports ist es, "dass wir zumindest den Abwärtstrend der letzten Jahre" stoppen können. Das sagte Vesper, als er im Quartier der deutschen Mannschaftsleitung eine Halbzeitbilanz der Spiele zog. 1992 in Barcelona hatte das deutsche Team 33 Goldmedaillen gewonnen, vor vier Jahren in Athen waren es gerade noch 13. Dem organisierten Sport ist es in den vergangenen vier Jahren gelungen, die Politik davon zu überzeugen, sportlichen Erfolg im internationalen Wettbewerb zum staatlichen Anliegen zu machen. Die rot-grüne Bundesregierung hatte die Plätze in Sportfördergruppen um 80 reduziert. Im Sold standen nur noch 704 Spitzensportler. Gerade wurde beschlossen, die Förderstellen auf 824 zu erhöhen. Ein klares Bekenntnis zur Medaillenjagd in Schwarz-Rot-Gold. Die sieht Verteidigungsminister Jung völlig unbeschwert. Er stellt sich nicht die Frage, ob staatliche Spitzensportförderung noch angebracht ist in Zeiten, in denen viele Leistungen nur noch schwer nachvollziehbar sind. Er war am Samstag im Stadion und wurde Augenzeuge, wie ein Mensch die 100 Meter im 9,69 Sekunden gelaufen ist. "Wer das miterlebt hat, der muss einfach beeindruckt sein." Zweifel am natürlichen Zustandekommen derartiger Leistungen hat er nicht: "Zunächst muss man davon ausgehen, dass diese Leistungen rechtmäßig erbracht werden", sagt Jung.

Die Aufgabe der Bundeswehr in der Sportförderung sei es auch, dafür zu sorgen, dass die Leistungen "auch in Zukunft sauber bleiben". Doch das oberste Ziel der staatlichen Sportförderung bleiben die Medaillen bei internationalen Großereignissen. Die Sportler sollen ihre Heimat im Ausland würdig repräsentieren. Jung: "Wir sind doch, zumindest in der ganz großen Mehrheit, gemeinsam stolz, wenn wir diese Ergebnisse erzielen." Sportförderung bedeutet Arbeit an der Steigerung des Nationalbewusstseins.

Wer aufgenommen wird in eine Sportfördergruppe der Bundeswehr, in die Sportprogramme von Bundespolizei und Zoll, das wird im Dialog mit den Sportverbänden entschieden. Die verschiedenen Sportarten stehen dabei untereinander im Wettbewerb um die Plätze. Sie haben mit dem DOSB und dem obersten Leistungssportförderer des Landes, dem Bundesinnenministerium, Leistungsvereinbarungen getroffen. Das oberste Ziel ist, Deutschland bis zu dem Olympischen Spielen 2012 in London einen festen Platz unter den fünf führenden Sportnationen der Welt zu sichern. Es herrscht das pure Erfolgsdenken.

Besonders beliebt sind bei vielen Sportlern die Plätze bei der Bundeswehr auch deshalb, weil sie sich dort dem Sport fast zu 100 Prozent widmen können. Nach einer verkürzten Grundausbildung müssen sie zwar noch ein paarmal zu "grünen Wochen" (Jung), aber ein richtiges Soldatenleben müssen sie nicht führen. Westdeutsche Sportfunktionäre blickten vor der Wende oftmals neidisch auf die Erfolge von Athleten, die die DDR ins Rennen geschickt hatte. Das Wort von den "Staatsamateuren" machte die Runde. "Früher haben wir das angeprangert, jetzt haben wir selbst einen Staatssport", sagte jüngst Helmut Digel, Sportsoziologe und lange Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes. Digel sieht auch kritisch, dass die Soldatensportler nach ihrer Karriere oftmals ohne Perspektive seien.

Anders ist das bei Sportlern, die bei der Polizei untergekommen sind. Sie absolvieren neben dem Sport eine Ausbildung und werden später in den Polizeidienst übernommen. Beinahe 150 Athleten erhalten ihr Geld von der Bundespolizei. Beim Zoll sind 40 Sportler beschäftigt. Die Länderpolizeien von Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen bezahlen etwa 100 Sportler. Mecklenburg-Vorpommern hat gerade eine Sportfördergruppe in der Landespolizei aufgemacht, Nordrhein-Westfalen will bald schon folgen.

Leistungssport als Zivilist zu betreiben wird indes immer schwieriger. Wer studiert und sich seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten will, fühlt sich oft benachteiligt im Vergleich zu den Vollzeitsportlern. Jenny Wolf, die Eisschnelllauf-Weltmeisterin, hat das schon des Öfteren angesprochen. Zur Bundeswehr will sie dennoch nicht. "Man hat ja seine Prinzipien", hat sie einmal zur taz gesagt. Andere werfen ihre Prinzipien über Bord, um in den Genuss der Vorteile, die eine Sportfördergruppe bietet, zu kommen. Der deutsche Zehnkämpfer André Niklaus war als Verweigerer anerkannt und wollte Zivildienst machen. Der sportliche Ehrgeiz hat ihn in die Arme der Armee getrieben. Jetzt ist er Soldat. Franz-Josef Jung wird es freuen. Der hat für alle ehrgeizigen Sportler, die aus Gewissensgründen nicht zur Bundeswehr wollen, nur einen Rat: "Dann sollen sie halt zur Polizei gehen."

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