Ökologisierung der Ökonomie: Gabriel will Wirtschaft begrünen

Das Umweltministerium will Steuern und Subventionen nach Umweltkriterien ausrichten. Prompt hagelt es harsche Kritik: Von Seehofer und der Wirtschaftslobby.

Zementhersteller sollen nur noch dann steuerlich begünstigt werden, wenn sie sparsam mit Energie umgehen. Bild: dpa

BERLIN taz Die Ökologisierung der Industriepolitik hat längst begonnen. Zwei Meldungen aus der Automobilindustrie von diesem Wochenende zeigen, worum es dabei geht: Der BMW-Betriebsratschef verweist in einem internen Schreiben auf einem drastische Nachfragerückgang für große Motoren. "Wir produzieren hier am Standort München die falschen Motoren", moniert er und fordert die Produktion eines kleinen Elektroautos. Gleichzeitig lässt Daimler verlauten, dass die Nachfrage nach dem kleinen und sparsamen Smart im kommenden Jahr wohl erstmalig nicht gedeckt werden kann. Deshalb werde über die Errichtung eines zweites Werk nachgedacht. Nicht nur in der Automobilindustrie sorgt die Rohstoffknappheit für Veränderungen bei der Nachfrage und bei den Produkten.

Die Unternehmensberatung Roland Berger beziffert das gegenwärtige Volumen "grüner Märkte" auf gut 1.000 Milliarden Euro weltweit. Dieses werde sich bis 2020 verdoppeln. Das Bundesumweltministerium will die deutsche Wirtschaft für diese Märkte fitmachen und gleichzeitig mehr für Klima- und Ressourcenschutz sorgen. Dazu hat Umweltminister Sigmar Gabriel ein Maßnahmenpapier erarbeiten lassen, das auf einem Zukunftskongress im Oktober diskutiert werden soll.

Vieles in dem 38-Seiten-Papier, das der taz vorliegt, ist nicht wirklich neu und von Gabriel immer wieder ins Spiel gebracht worden. So zum Beispiel die bessere Kennzeichnung des Verbrauchs von Elektrogeräten oder ein Fonds für grüne Technologien, mit dem junge Unternehmen gefördert werden können. Auch die Brennstoffsteuer für Atomstrom, die vor einigen Wochen die Gemüter bewegte, taucht wieder auf.

Zwei Punkte sorgten schon jetzt für Diskussion. So will Gabriel die Agrasubventionen "radikal umschichten". Bauern dürften nur noch Geld für das bekommen, "was einen positiven Effekt auf Natur und Umwelt hat". Außerdem will der Minister demnach im Rahmen eines Öko-Checks durchsetzen, dass nur noch Futtermittel importiert werden dürfen, die nicht von Regenwaldflächen stammen. Die Reaktion von Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer gegenüber der Agentur dpa: "Weder ist das Papier bekannt, noch halte ich etwas davon".

Zudem will Gabriel das Steuersystem nach ökologischen Kriterien reformieren und zum Beispiel den ermäßigten Mehrwertsteuersatz nur noch für Produkte zulassen, die bestimmten ökologischen und sozialen Kriterien standhalten. Unternehmen sollen Investitionen in energieeffiziente Technik schneller und flexibler abschreiben können, große Stromverbraucher wie Zementhersteller nur noch dann steuerlich begünstigt werden, wenn sie sparsam mit Energie umgehen.

Diese und andere Vorschläge hat das Ministerium an Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und Ökonomen geschickt und um Stellungnahmen gebeten. Was jedoch als Antwort auf die radikalen, aber durchaus marktfreundlichen Vorschläge zu erwarten ist, deutete sich bereits gestern an. So erklärte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK): "Eine Differenzierung der Steuersätze nach politischen Lenkungszielen führt zu Ungerechtigkeiten, Abgrenzungsproblemen, Verwerfungen und Mitnahmeefekten. Das kann nicht das Ergebnis nachhaltiger Politik sein." Stattdessen sollten die Verbraucher selbst entscheiden. "Der DIHK plädiert deshalb statt falscher steuerpolitischer Lenkung für mehr Netto vom Brutto für alle."

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