ARD-Doku über Kalten Krieg: Lieber tot als rot
Die zweiteilige Doku "Planspiel: Atomkrieg" enthüllt, wie Konrad Adenauer für die Amerikaner die Russen ausspionierte (ab morgen, 23.30 Uhr, ARD).
Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) war mit allen Wassern gewaschen, doch das war selbst ihm kaum zuzutrauen: Bei seinem berühmten Flug nach Moskau 1955 war in seiner Maschine eine gut getarnte Kamera eingebaut, die sowjetische Raketenstellungen fotografierte. Es war der erste Besuch eines deutschen Kanzlers überhaupt, derjenige, bei dem Adenauer die Freilassung der letzten 10.000 deutschen Kriegsgefangenen aushandelte - und durch die versteckte Kamera aufs Spiel setzte.
Die Aufdeckung dieser Geschichte ist der journalistische Höhepunkt der zweiteiligen Dokumentation "Planspiel Atomkrieg". Die Autoren Thomas Fischer und Gabriele Trost werfen darin einen atmosphärisch dichten Blick zurück auf die Zeit des Wettrüstens - unterlegt mit billig dramatisierender Musik.
Von Adenauers Ritt auf der Kamera hatte Fischer im Zuge einer anderen Recherche vom ehemaligen CIA-Mitarbeiter Dino Brugioni erfahren. Die US-Regierung sei vor dem Russland-Besuch an Adenauer "herangetreten", ob er bereit sei, die Kamera einbauen zu lassen, zitiert Fischer Brugioni, der die Luftbilder einer mutmaßlichen Flugabwehrraketenstellung vor den Toren Moskaus auch auswertete.
Überhaupt seien 1955 nur ganze drei ausländische Maschinen im sowjetischen Luftraum unterwegs gewesen, sagt Fischer. "Wir haben sehr starke Indizien, dass eigentlich nur die Adenauer-Maschine in Frage kommt."
Und so illustriert der Film die These, dass Adenauer rabiat für eine Politik der Stärke gegenüber dem Warschauer Pakt eintrat - und dabei das Risiko eines Atomkriegs, der sich auf jeden Fall auf deutschem Boden abgespielt hätte, in Kauf nahm. Motto: lieber tot als rot.
Neue Bunker wurden gebaut, alte aus dem Zweiten Weltkrieg für einen Angriff mit ABC-Waffen nachgerüstet. Nur etwa 5 Prozent der BundesbürgerInnen hätten diese Bunker für 14 Tage Schutz geboten. Einen Test mit 146 Menschen, begleitet von Reportern mit Kameras, machte die Bundesregierung aber nur einmal. "Wir können davon ausgehen, dass die Nuklearstrategie der Nato zu keinem Zeitpunkt von der deutschen Bevölkerung akzeptiert wurde", sagt im Film Bruno Thoß vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam.
Trotzdem übte die Nato fleißig den Atomkrieg. "Planspiel Atomkrieg" zeigt einen Wochenschaubericht über die Stationierung der taktischen Superkanone "Atomic Annie" in Westdeutschland. Und ebenfalls 1955 simulierte die Nato die Explosion von 300 Atombomben auf deutschem Boden.
Nach einer Phase der Entspannung lebte der Kalte Krieg Ende der 70er-Jahre wieder auf: mit dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan, der Stationierung der allein Westeuropa bedrohenden Mittelstreckenrakete SS 20 und dem darauf folgenden Nato-Nachrüstungsbeschluss. Die US-Regierung unter Ronald Reagan erkannte die Chance, das schwächelnde Sowjetreich totzurüsten.
Wir sehen den SPD-Politiker Erhard Eppler, wie er bei der großen Friedenskundgebung 1981 auf der Bonner Hofgartenwiese die Politik seines Parteifreundes Helmut Schmidt kritisiert. "Ich hatte immer Angst, dass es mal aus Versehen losgeht", sagt Eppler heute. Keine der Supermächte sei bereit gewesen, einen Atomkrieg zu riskieren. Trotzdem führten sie die Welt 1983 an den Rand einer Nuklearkatastrophe: Angesichts der eigenen Schwäche und Reagans martialischer Rhetorik befürchtete die sowjetische Führung, dass die Nato die angekündigte Übung "Able Archer" als Tarnung für einen atomaren Erstschlag benutzen könnte. Ein Doppelagent unterrichtete die Amerikaner über die Nervosität der Russen. - Präsident Reagan verzichtete vorsichtshalber darauf, an der Übung teilzunehmen.
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