Christian Ulmen im Netz: Sein neuer Freund
Christian Ulmen zieht mit all den Freaks aus "Mein neuer Freund" ins Internet um, weil ProSieben sie nicht mehr will. Und ist so gut, dass die sich schwarzärgern werden.
In dem bayerischen Ort Chamerau, nahe der tschechischen Grenze, ist die Welt noch in Ordnung. Es gibt kein Gesindel, kaum Schwule, nur wenige Ausländer. Und sollten doch mal welche kommen, Türken etwa, auf der Suche nach einem Domizil, dann würden sie keins bekommen. Denn für solche Fälle hält das CSU-regierte Dorf angeblich eine Kasse parat, aus der leer stehende Wohnungen finanziert werden, ein Vierteljahr lang, sozusagen zum Schutz.
Hört sich an wie das Ergebnis einer verdeckten Recherche in den Untiefen der deutschen Pampa? Fehlanzeige. Es sind die schaurigen Aussagen, die Knut Hansen, ein schmieriger Wanderpoet mit Hut und Gebissfäule, dem einstigen Chamerauer Bürgermeister Frieder Herold entlockt hat. Hansen ist eine Kunstfigur des Schauspielers Christian Ulmen. Und man wünschte, auch der Bürgermeister wäre fiktiv. Ist er aber nicht.
Vor drei Jahren hat Ulmen sein Alter Ego Hansen und weitere schwitzende Nervensägen für die ProSieben-Serie "Mein neuer Freund" erfunden, in der junge Frauen einen der Fieslinge als ihren neuen Lover verkaufen mussten. Wenn sie drei Tage durchhielten, bekamen sie 10.000 Euro. Die Show war voll von großartigen Szenen, wurde aber schon nach der ersten Folge abgesetzt wegen zu schlechter Quote. Erst als Ulmens Fans protestierten, strahlte der Sender die übrigen Episoden doch noch aus - im Nachtprogramm.
Aus dem Quotengewurstel der Fernsehchefs hat Ulmen nun die logische Konsequenz gezogen und ist ins Internet abgewandert. Auf www.ulmen.tv laufen ab sofort täglich neue Clips, in denen alte Bekannte zurückkehren: neben Hansen auch die adlige Arschgeige Alexander von Eich, der dem Prekariat das Spuren beibringen will; oder Uwe Wöllner, ein grenzdebiler Nerd, der unter anderem eine Jobberaterin an den Rand des Wahnsinns treibt.
Im Gegensatz zum alten Konzept sind Ulmens Figuren nun einfach so unterwegs. Das Prinzip ist dasselbe wie bei dem britischen Komiker Sacha Baron Cohen alias Borat: Eine skurrile Kunstfigur drischt Phrasen, lockt mit Fragen, Bemerkungen - die realen Gegenüber sind dann entweder peinlich berührt oder entrüstet oder sie steigen, wie der Bürgermeister von Chamerau, drauf ein, vielleicht weil eine Kamera surrt und sie sich ein bisschen Popularität erhoffen.
Gut 200 Stunden Rohmaterial sind so zusammengekommen, die zunächst ein Jahr lang häppchenweise im Web serviert werden sollen. Und wenn alles so entblößend ist wie die Bürgermeisterfolge, darf sich ProSieben getrost schwarzärgern, Ulmen vergrault zu haben.
Dass es sich nicht um eine Doku, sondern um Satire handelte, weiß Exbürgermeister Herold inzwischen; der Ausstrahlung hat er dennoch zugestimmt. Und so erfährt die Welt übrigens nicht nur von der dubiosen Kasse, sondern auch, dass der CSU-Mann für tschechische Prostituierte schwärmt und der schwule Berliner Bürgermeister Wowereit in Chamerau nur "Pobereit" genannt wird, also Po-bereit - haha, hihi.
Die neue Dorfspitze versucht indes, Herolds Gefasel wieder glatt zu bügeln. Sei alles nur Gaudi gewesen, heißt es. Ganz bestimmt. BORIS ROSENKRANZ
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