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die wahrheitWer wird denn gleich in die Luft gehen?

So kann man natürlich auch eine Pressekonferenz eröffnen. "Wer von euch ist Simon Bird vom Daily Mirror?", fragte Joe Kinnear, der neue Trainer des nordenglischen Fußballclubs Newcastle United.

So kann man natürlich auch eine Pressekonferenz eröffnen. "Wer von euch ist Simon Bird vom Daily Mirror?", fragte Joe Kinnear, der neue Trainer des nordenglischen Fußballclubs Newcastle United. Als sich Bird meldete, bescheinigte ihm Kinnear: "Du bist eine Fotze." Dann fragte er nach Niall Hickman vom Daily Express und bat ihn zu gehen: "Fuck off!" So ging es weiter, Kinnear benutzte innerhalb von fünf Minuten 52 Kraftausdrücke. Der Pressesprecher des Vereins rief besorgt: "Meine Herren, alles, was in diesem Raum gesagt wurde, bleibt unter uns." Natürlich.

Kinnear hatte sich darüber geärgert, dass sich die Journalisten über ihn lustig gemacht haben, weil er gleich nach seinem Amtsantritt vorvergangene Woche den Spielern zwei Tage frei gegeben hat. Kinnear und Newcastle United passen gut zusammen. Der eine trägt den Spitznamen "Joke", also "Witz", die anderen sind längst zum Gespött der Liga geworden. Sie werden von der Pleitebank Northern Rock gesponsert - das heißt von den Steuerzahlern, denn die Bank ist verstaatlicht worden. Dennoch steht das Team an vorletzter Stelle, knapp vor Tottenham Hotspur, wo Heißsporn Kinnear zehn Jahre lang gespielt hat, was der Verein offenbar bis heute nicht verkraftet hat. Der 61-Jährige stammt aus Dublin, spielte 26-mal für Irland und trainierte unter anderem die nepalesische Nationalmannschaft. Vor vier Jahren ging er in Rente: Er hatte einen Herzinfarkt erlitten, weil er sich immer so schnell aufregt. Man reaktivierte ihn nun, weil sich niemand anders erbarmte. Jeder Trainer, der noch alle Tassen im Schrank hat, macht einen weiten Bogen um Newcastle. Das macht der Eigentümer des Vereins inzwischen auch. Der Londoner Sportartikelhändler Mike Ashley, der Newcastle United erst im Sommer 2007 erworben hat, traut sich nicht mehr in die Stadt. Nachdem er vorigen Monat den Publikumsliebling Kevin Keagan als Trainer entlassen hatte, gab es Massendemonstrationen der Fans vor dem Stadion. Ashley will den Verein nun verkaufen. Ein Konsortium aus Nigeria interessiere sich für die Übernahme, verkündete er. Vermutlich hat er einen dieser Briefe bekommen, in denen angebliche nigerianische Regierungsbeamte behaupten, sie hätten 50 Millionen Dollar Ölgelder unterschlagen und suchten einen ehrlichen Menschen, um auf dessen Konto das Geld einzuzahlen.

Kinnear will den Verein auch ohne die Millionen retten. Er sei noch nie abgestiegen, prahlte er. Den Abstieg mit Luton Town 2001 hat er wohl vergessen. Jedenfalls setzt er bei Newcastle auf den Abwehrspieler Joey Barton, der endlich aus dem Gefängnis entlassen worden ist. Er saß ein, weil er jemanden in der Diskothek verprügelt hatte. Allerdings ist er noch zwei Spiele gesperrt, denn er hatte außerdem einen Mitspieler vermöbelt, weil es ihn störte, dass der schwarz ist.

"Wir brauchen jemanden, der toben und brüllen kann", meint Kinnear. "Er ist ein munterer Junge, der etwas zu sagen hat, und er könnte die Kommunikation verbessern." Indem er seine Mitspieler krankenhausreif schlägt? Aber Kinnear ist ja selbst noch für zwei Spiele gesperrt, da er 2004 kurz vor seiner Pensionierung einen Schiedsrichter angegriffen hat.

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