Baumbestattung in den USA: Ökologisch abbaubare Totenruhe

Der deutsche Unternehmer Axel Baudach hat die Beerdigung unter Bäumen in die USA exportiert. Den ersten Waldfriedhof gibt's in Virginia - weitere Filialen sollen folgen.

Lieber tot unter einem Baum liegen, als in einem Reihengrab auf dem Friedhof. So denken auch immer mehr US-Bürger, weshalb Baudachs "EcoEternity" expandiert. Bild: photocase/manuh

CAMP HIGHROAD taz Vorsichtshalber hat Lisa Kinder ihre beste Freundin mitgebracht. Falls es schwer wird. Die junge Frau in Shorts und Turnschuhen ist gekommen, um an diesem Vormittag im Wald von Camp Highroad das Grab für ihren Mann auszusuchen. Eben geht ein prasselnder Regen über Nordvirginia nieder. Die beiden Frauen warten im Kaminzimmer des Forsthauses darauf, dass der Wolkenbruch aufhört. Hier, auf einer kleinen Waldlichtung inmitten rollender Hügel und satter Weiden, ist seit kurzem das Büro von EcoEternity, einem US-Bestattungsunternehmen für eine alternative, bessere Beerdigungskultur eingezogen.

„Wir sind Countrygirls, uns macht der Regen nichts aus,“ sagen beide. Gleich wollen sie los, um unter den 184 ausgewiesenen Bäumen den roten Ahorn zu finden, den sich Lisas Mann wünschte. In kleinen Rinnsalen leiten die Blätter der Laubbäume das Wasser bis hinab zum Waldboden. Über den Tod hatte Mike öfter gesprochen. Am 13. Januar nahm er sich das Leben. Er war 36 Jahre alt, und gehetzt von den wirren Gedanken in seinem Kopf.

„Als ich in einer Zeitung von dieser neuen Bestattungsmöglichkeit las, war ich so erleichtert“ sagt Lisa Kinder, die 13 Jahre lang mit ihrem Mann zusammenlebte. „Ich hab ihn, also seine Asche,“ erzählt sie und muß dabei tief durchatmen, um nicht die Fassung zu verlieren, solange zuhause bei sich behalten wollen, bis sie etwas Passendes für ihn finden würde. Das US-Gesetz erlaubt, was in Deutschland undenkbar wäre: Urnen im heimischen Wohnzimmer. „Dieser Wald ist genau das, was er gesucht hat. Frieden und von der Natur umgeben sein. Er war ein Farmboy und am liebsten immer draußen.“

Stille und Natur. Und ohne kitschiges Drumherum wieder ein Teil von beidem werden, das ist der Grundgedanke des Konzeptes einer Baumbestattung, wie sie der deutsche Unternehmer Axel Baudach erstmals seit letztem Herbst in den USA anbietet. Hier, im Norden des US-Bundesstaates Virginia, kann sich für die Ewigkeit betten, wer nicht auf einem herkömmlichen Friedhof landen möchte. Es gibt dazu biologisch abbaubare Urnen aus Maisstärke, eingegraben im Wurzelwerk eines Baumes. Wer sogar auf die Urne verzichtet, dessen Asche kann auf Wunsch direkt zwischen den Wurzeln eines ausgewachsenen Baumes beigesetzt werden. Das Versprechen dahinter lautet, dass mit der Zeit der Verstorbene eins wird mit dem Baum und so zurück in den Kreislauf des Lebens kehrt.

Baudach eröffnete EcoEternity, das erste Baumbestattungsunternehmen der neuen Welt, gemeinsam mit seinem früheren US-Kollegen Henry Lowe. Beide waren zuvor IT-Spezialisten im Bankenbereich gewesen und hatten im Silicon Valley zusammen gearbeitet. Dann starb jemand in Baudachs Familie, und „die ganze Bestattung in Deutschland war einfach nicht schön,“ erinnert er sich. Der Informatiker fing an, sich für das zunächst befremdliche Thema zu interessieren und stieß im Internet schließlich auf die in der Schweiz längst üblichen „Friedwald“-Bestattungen.

Als er merkte, dass sich viele Deutsche für das Schweizer Konzept interessierten – aber nicht in der Schweiz beerdigt sein wollten, gründete Baudach seine neue Existenz, als Bestattungsunternehmer in Deutschland. Viele Menschen in der globalisierten Welt leben nicht mehr nur an einem Ort. Heimat werde zu einem abstrakten Konzept, ist Baudach überzeugt, für den das selbst gilt. „Heute fühlen sich viele einer Landschaft oder einer Region verbunden, aber nicht länger einem speziellen Friedhof,“ erklärt er. „Auch die Grabpflege ist für viele Familien, die weit voneinander entfernt leben, einfach nicht mehr leistbar.“ So komme es, dass sich Begräbniskultur und die Vorstellungen von der letzten Ruhe eben auch wandelten.

Nicht selten kommen neuerdings immer öfter finanzielle und ökologische Erwägungen hinzu. Mark Harris, Umweltjournalist aus Kalifornien, fragte sich daher kürzlich, wie ökologisch eigentlich Friedhöfe sind. Er rechnete Folgendes aus: Ein rund vier Hektar großer christlicher US-Friedhof birgt genug Sargholz, um daraus rund 40 Holzhäuser zu bauen. Ausserdem liegen dort bis zu 900 Tonnen Stahl und 20.000 Tonnen Beton und Bausteine verbuddelt. Hinzu kommen viele Hektoliter Unkrautvernichter und Pestizide, damit der Friedhofsrasen artenrein bleibt sowie Unmengen an Formaldehyd, das in den Särgen verwendet wird.

Grund genug für viele, sich statt einem Begräbnis für 10.000 Dollar aufwärts in einem seelenlosen Reihengrab, für eine billigere und ressourcenschonendere Ruheform zu entscheiden. Eine Einzelbestattung im Wald gibt es inklusive Urne schon ab 1.100 Dollar. Ein Familienbaum kann bereits ab 4.500 Dollar für 99 Jahre geleast werden, unter dem können später beliebig viele Angehörige beigesetzt werden.

Damit der Begräbnishain dennoch ein Wald bleibt, sind Grabsteine und andere Memorabilia bei EcoEternity allerdings strikt verboten. Die Angehörigen müssen sich damit abfinden, dass nur ein dezentes Plastikschildchen, welches am Baum angebracht wird, an den Toten erinnern wird - und der Wald im Winter eben selbst nackt und fast ein bisschen tot wirkt.

“Friedhöfe sind so deprimierend,“ meint Baudach, der in Deutschland bereits 20 Waldfriedhöfe betreibt. “In einen Wald zu gehen ist eine völlig andere Erfahrung.“ Überzeugt davon, einem großen Trend voraus zu sein, planen er und Lowe nun schnell zu expandieren. Schon im Sommer haben sie einen weiteren Waldfriedhof in Pennsylvania eröffnet. Ihr Businessmodell ist ganz amerikanisch: Filialen in anderen US-Bundesstaaten sind bereits beantragt und in Planung. Schließlich ist kaum etwas so sicher wie der Tod.

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