Kommentar Erbschaftsteuer: Geschenktes Glück

Mit der Neuregelung zur Erbschaftsteuer verschenkt die Bundesregierung die Chance, die sozialen Ungleichheiten der Geburt etwas zu korrigieren.

Darf ein Hartz-IV-Empfänger 45 oder 50 Quadratmeter Wohnraum haben, ohne dass ihm die Stütze entzogen wird? So was beschäftigt die Sozialgerichte. Erben haben es einfacher nach dem Kompromiss zur Erbrechtsreform. Selbst wer in einer ihm hinterlassenen 200-Quadratmeter-Villa Rollschuh laufen kann ob der Weite, muss immer noch nicht so etwas Ekliges wie Erbschaftsteuer entrichten. Vorausgesetzt, es handelt sich um das Elternhaus, in das Sohn oder Tochter nach dem Tod der Erblasser einziehen.

Die Erbschaftsteuerreform unterstützt also generös die Heimatbindung. Aber leider ist das neue Gesetz nicht nur lustig.

Mit den Regelungen verabschiedet sich die Bundesregierung von der Grundidee, dass Erbschaften, ob sie aus Haus, Bankdepot oder Betrieb bestehen, immer noch vor allem ein Glücksfall sind, ein Geschenk. Man hätte die Gelegenheit also durchaus nutzen können, die Steuer zu einer ernsthaften Gerechtigkeitsteuer zu machen, die Ungleichheiten der Geburt etwas kompensiert und Geld abschöpft für soziale Zwecke.

Nun aber soll die Erbschaftsteuer bleiben, was sie immer schon war: eine Marginalie. Die Einnahmen aus Grund-, Vermögens-, Schenkungs- und Erbschaftsteuern im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt liegen in Deutschland bei weniger als der Hälfte dessen, was andere Industriestaaten damit kassieren.

An dieser Schieflage ändert auch das Argument nichts, man hätte die Betriebe nun mal steuerfrei stellen müssen, um die Arbeitsplätze dort zu erhalten. Eine Firma ist keine karitative Einrichtung, die der Erbe ehrenamtlich betreibt, sondern immer noch in den meisten Fällen ein Unternehmen, das Immobilienwerte darstellt und Gewinn abwirft. Und eine geerbte Immobilie bedeutet eine Mietersparnis, Monat für Monat. Doch davon war zuletzt kaum noch die Rede.

Die Stimmung ist nicht danach, denn der Besitz ist heilig in Zeiten, in denen man sich auf öffentliche Kassen immer weniger verlassen kann. Die Erbrechtsreform zeigt, wie sich die Maßstäbe für Verteilungsfragen verschieben: Man stellt sie kaum noch. Das ist schon gruselig.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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