: Schlaumeier Altmaier
STROMPREISE Der Bundesumweltminister präsentiert sich als Hüter einer sozialen Energiewende. Seine Vorschläge würgen die Erneuerbaren aber ab
■ ist Chefredakteur des taz-Umweltmagazins zeo2. Von 1980 bis 1990 war er Redakteur und Leiter der Redaktion Wirtschaft + Umwelt der taz, danach freier Journalist, von 2001 bis 2006 Chefredakteur der Zeitschrift Slow Food.
Das hat schon was von Panik. Seit Verkündung der Energiewende hat die Bundesregierung in immer hektischeren Manövern am Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) herumgeschraubt. Ohne jemals ans Ziel zu kommen. Jede neue Drohung, den Boom von Solaranlagen durch scharf gekappte Fördersätze zu stoppen, führte prompt zu einer genauso scharfen Zubau-Offensive auf deutschen Dächern – weil alle Investoren bis zur Exekution schnell noch den alten Tarif mitnehmen wollten. Kaum war dann die Tinte unter dem neuen Vergütungsmodell trocken, wurde erneut gekürzt. Und ein weiterer Run ausgelöst. Die Koalition schwang permanent die Keule und leistete so permanenten Anschub. Wie im irischen Pub: Droht der Wirt mit „Last order“, fließt das Bier in Strömen.
Geopfertes Vertrauen
Doch jetzt hat Umweltminister Peter Altmaier (CDU) bei der Förderung von Sonne, Wind und Co. tatsächlich den Hammer ausgepackt. Er will nicht nur die EEG-Umlage einfrieren. Er droht auch, alten Solaranlagen und ihren Besitzern, die hohe Vergütungen bekamen, nachträglich einen „Energie-Soli“ abzuknöpfen.
Hinter der niedlichen Vokabel lauert das Böse. Es ist, als würde man die Rendite von Bausparverträgen kürzen – Jahre nachdem das Haus schon steht. Außerdem kündigt der Umweltminister bei seiner Aktion „Strompreisbremse“ an, bei schlechter Kassenlage im EEG-Topf die Zahlungen für neue Anlagen einfach mal ein wenig auszusetzen. Wer wird bei solchen Aussichten noch in Solaranlagen investieren? Niemand. Damit hat Altmaiers Vorstoß seinen Zweck schon erfüllt, ohne dass er Gesetz wird. Durch solche Gedankenspiele werden Vertrauen und Rechtssicherheit geopfert.
Natürlich redet auch Altmaier ständig über Rechts- und Investitionssicherheit, um genau diese auszuhöhlen. Er beklagt sich, dass er mit dem ökologischen Charme der Energiewende nicht durchdringe, weil immer nur über Geld und Strompreise geredet wird. Jetzt sorgt er dafür, dass bis zur Bundestagswahl garantiert über nichts anderes geredet wird. Dieser Minister hat es nicht ein einziges Mal verstanden, den grandiosen Erfolg der erneuerbaren Energien adäquat zu kommunizieren. Das tun andere wie der Klimaforscher Otmar Edenhofer: „Der Erfolg der Energiewende ist fast wichtiger als alle internationalen Klimaverhandlungen; die Welt schaut darauf.“ Und weiter: Die deutsche Energiewende „wird darüber entscheiden, wie schnell die fossilen Mächte weltweit abgelöst werden“.
Befreite Hähnchenschlachter
Eine positive Bewertung dieser in der Tat höchst erstaunlichen Energierevolution oder sogar ein wenig Stolz darauf – das ist dieser Bundesregierung vollkommen fremd. Vielleicht hat sie das Ausmaß auch noch gar nicht begriffen: etwa was in Lateinamerika und Afrika passiert, wo Solaranlagen für tausende Schulen und Krankenhäuser plötzlich bezahlbar werden. Der solare Massenmarkt in Deutschland ließ weltweit die Preise purzeln. Die Energiewende hat das beste Entwicklungshilfeprogramm aller Zeiten ausgelöst. Und eine neue Industrie etabliert. Und unserem Land die Chance auf ein enkeltaugliches Energiesystem eröffnet. Wir hätten eine ganz andere Debatte im Land, wenn auch nur ein Teil des Guten dieser Energiewende rüberkäme. Etwa die Wertschöpfung der Handwerksbetriebe, die Millionen Anlagen aufgebaut haben. Die 400.000 Arbeitsplätze des Erneuerbaren-Sektors, die vermiedenen Klimagase, die nicht gebauten teuren Kohlekraftwerke, die nicht importierten Millionen Tonnen fossiler Brennstoffe oder die gesundheitlichen Folgen. Dazu noch die gesunkenen Strompreise an der Börse, wo sich diejenigen billig eindecken, die anschließend am lautesten jammern. Es ist beinahe peinlich, das einem Umweltminister erklären zu müssen. Natürlich ist auch der Kostenstreit eher schief. So wird unterschlagen, dass die letzte Erhöhung der EEG-Umlage vor allem deshalb so saftig ausfiel, weil Nachzahlungen von 2012 fällig waren. Im nächsten Jahr könnte sie sogar sinken! Bis 2018 wird die Umlage laut Energiewirtschaftlichem Institut der Uni Köln (EWI) wahrscheinlich nur moderat steigen. Außerdem können sich gerade die energieintensivsten Unternehmen in Deutschland über einen erheblichen Rückgang ihrer Strompreise freuen. Hätte man schließlich nicht Golfplätze und Hähnchenschlachter von der Umlage befreit, wäre der Strom auch für die Verbraucher etwas billiger.
Nicht mehr als eine Kinokarte
Für die Haushalte ist der Strompreis aber weniger stark gestiegen als der Preis für Benzin, Heizöl oder Kohle. Strom war 2012 für 22 Prozent der Energiekosten eines Haushalts verantwortlich, die EEG-Umlage für 3,4 Prozent. Mit 10 Euro im Monat entsprach sie dem Gegenwert einer Kinokarte. Warum dann die schrille Tonlage? Der Geifer bei Bild, FAZ, FDP? Er ist nur aus der Vergangenheit erklärbar, aus alten Ressentiments. Es kann doch nicht sein, dass man dem Antiatomzirkus jetzt noch die Fördermillionen hinten reinbläst.
Und jetzt der Wahlkampf. Da wird ein Altmaier zum Schlaumeier. Er versucht der FDP das Strompreisthema wegzunehmen und sich als Hüter einer sozialen Energiewende zu inszenieren. Er weiß zwar, dass seine „Strompreisbremse“ bis zur Wahl praktisch keine Chance hat, Gesetz zu werden. Aber er hat es versucht. Die Ablehnung durch SPD und Grüne liefert Wahlkampfmunition. Dass man den tatsächlich von Energiearmut betroffenen Haushalten mit einem bescheidenen Anteil aus Schäubles EEG-Mehrwertsteuermehreinnahme dauerhaft helfen könnte, hat soeben das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vorgerechnet. Daran hat Schwarz-Gelb aber kein Interesse, solange sich mit der Not Stimmung machen lässt.
Also wird bei der Energiewende mal kurz die Handbremse gezogen. Die Zustimmung zum Umstieg von Atom und Kohle auf Sonne und Wind ist zwar in der Bevölkerung weiter hoch, aber sie erodiert langsam. „Umwelttechnologien gehören die Zukunftsmärkte von morgen“, lässt der Umweltminister in seine bunten Broschüren schreiben. Aber morgen ist nicht heute. Heute retten wir die Energiewende, indem wir sie erst mal beenden. MANFRED KRIENER