Kommentar Konjunkturprogramm: Das Kalkül der Kanzlerin

Das Konjunkturprogramm der Koalition ist Augenwischerei. Wenn die Krise im nächsten Jahr voll durchschlagen wird, kann sich Merkel als Macherin präsentieren. Aber dann kann es zu spät sein.

Deutschland lebt derzeit in einem merkwürdigen Dazwischen: Die Krise kommt, und sie wird die schlimmste der letzten Jahrzehnte. Doch passiert ist bis jetzt eigentlich noch nichts. Opfer hat die Rezession bislang nicht gefordert - sieht man von ein paar tausend risikofreudigen Gutbetuchten ab, die ihr Vermögen an den Börsen versenkt haben. Ansonsten läuft alles rund. Noch.

Angela Merkel tut in dieser Situation etwas sehr Interessantes - nämlich nichts. Die große Koalition hat nun zwar ein von vielen Fanfarenstößen begleitetes 32 Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm verabschiedet und damit, so Merkels Eigenlob, eine führende Rolle in der EU übernommen. Aber das ist ein Taschenspielertrick. Vieles - etwa die Erhöhung des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes - war längst beschlossen. Neu ist die Kfz-Steuerbefreiung, die vor allem reichen Leuten helfen soll, sich umweltfeindliche Dreckschleudern zu kaufen. Die Kfz-Steuerbefreiung ist unökologisch und unsozial. Das Beste, was man über sie sagen kann, ist, dass sie nicht funktionieren wird. Wer kauft sich schon ein Auto für 60.000 Euro, weil er so zwei Jahre lang ein paar hundert Euro spart -ohne zu wissen, wie viel Kfz-Steuern er danach berappen muss? Schaut man auf die Kfz-Steuer, weiß man wirklich nicht, was übler ist: wenn die Koalition etwas gegen die Krise tut oder wenn sie nichts tun.

Merkel präsentiert sich derzeit nüchtern, vorsichtig und abwägend. Sie will, heißt es, erst mal abwarten, ob dieses zusammengeschusterte Programm nicht furios gegen die Krise wirkt. Erst danach könne man entscheiden, ob die Koalition die Wirtschaft ankurbeln muss. So inszeniert sich Merkel ganz als verantwortungsbewusste Kanzlerin, die allein gegen alle die Stellung hält. Das ist allerdings eine Täuschung. Denn dieses Spiel auf Zeit folgt kühl kalkulierter Parteitaktik mit Blick auf die Bundestagswahl. Die Krise - mit Pleiten, weniger Steuereinnahmen und mehr Arbeitslosen - wird kommen und im Frühjahr, spätestens im Sommer durchschlagen. Dann wird Merkel nicht mehr zögern und zaudern, sondern als Macherin auftreten. Für ein wirksames Konjunkturprogramm kann es dann allerdings zu spät sein.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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