Die CO2-Sünder haben eine starke Lobby: Europas Klimapaket wird weichgekocht

Kanzlerin Merkel verteidigt in Berlin die Privilegien für Auto- und stromfressende Industrie, Ministerpräsident Wulff leistet entsprechende Lobbyarbeit in Brüssel.

Greenpeace-Aktivisten protestieren vor dem Bundestag. Bild: reuters

Der Countdown zum großen Klimagipfel in Brüssel läuft. In einer Woche werden sich die Vertreter von 27 Regierungen über die Vorschläge beugen, die die Verhandlungsführer des Europaparlaments derzeit mit der französischen Ratspräsidentschaft in langen Nachtsitzungen aushandeln. Bei den Abgeordneten, die nicht beteiligt sind, wächst der Unmut über das undemokratische Verfahren. Dennoch herrschte gestern bei der großen Klimadebatte im Plenum gähnende Leere auf den Rängen.

Die Abgeordneten glauben nicht, dass ihre flammenden Reden noch etwas bewirken könnten. Ratspräsident Sarkozy will beim Klimapaket alle Regierungen ins Boot holen, obwohl eine qualifizierte Mehrheit ausreichen würde. Kommende Woche trifft er sich mit seinen Kollegen aus Osteuropa und dem Baltikum, die für ihre Kohlekraftwerke Sonderkonditionen herausschlagen wollen. Auch Angela Merkel machte gestern in ihrer Regierungserklärung klar, dass sie weitere Zugeständnisse für die Autoindustrie und energieintensive Produktionszweige erwartet.

Am Mittwoch hatte sich Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff in Brüssel mit Europaabgeordneten getroffen und kostenlose CO2-Zertifikate für energieintensive Branchen gefordert. Als Basisjahr für die CO2-Reduktion dürfe nicht 2005 gelten, da Deutschland gerade in den Nachwendejahren die Emissionen deutlich reduziert habe. Deshalb müsste der CO2-Ausstoß im Jahr 1990 Grundlage für die Zuteilung von Zertifikaten sein.

"Wir wollen unserer Bundeskanzlerin den Rücken stärken", erklärte Wulff. "Wir müssen Ökonomie und Ökologie versöhnen, sonst vertreiben wir die Industrie aus Europa." Wulff versicherte, er wolle das Klimapaket nicht ins tschechische EU-Halbjahr verschieben, "obwohl man dann zu faireren Ergebnissen kommen könnte". Die Franzosen hätten im Autobau und in der Anrechnung ihres Atomstroms auf die CO2-Bilanz zu starke Eigeninteressen.

Im Deutschen Bundestag nutzte hingegen die Opposition die Gelegenheit, mit Merkel hart ins Gericht zu gehen. Der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) kritisierte im Bundestag, aus der deutschen Vorreiterrolle beim Klimaschutz sei "heute eine Bremserrolle geworden". Die Forderung der Industrie nach umfangreichen Ausnahmen für die Industrie beim Emissionshandel wertete er als "Anschlag auf den internationalen Klimaschutz".

Allerdings bekräftigte der Bundestag einen früheren Beschluss, der die hundertprozentige Versteigerung der Emissionszertifikate im Stromsektor ab 2013 fordert. Der klimapolitische Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass diese Vorgabe "für die Regierung bindend" sei. Sollte sich die Position in den kommenden Verhandlungen auf EU-Ebene nicht durchsetzen lassen, müsse die Bundesregierung im Rat einen Parlamentsvorbehalt einlegen und Einvernehmen mit dem Bundestag herstellen.

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