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Alleinerziehende sind öfter arm und krankAllein, arm, krank

Alleinerziehende sind eine besonders gefährdete Risikogruppe - weil sie oft ärmer sind und mehr Stress haben. Ein sicheres Einkommen und bessere Kinderbetreuung würden sie gesünder machen

Alleinerziehende sind stärker betroffen von sozialer Ungerechtigkeit Bild: AP

Immer mehr Alleinerziehende und ihre Kinder rutschen in die Armut - und haben häufiger mit Krankheiten zu kämpfen. "Alleinerziehende haben ein besonderes Risiko der Überforderung dadurch, dass sie für alles allein zuständig sind und Job und Kinderbetreuung vereinbaren müssen", sagt Karin Schulz von der Berliner Selbsthilfeinitiative Alleinerziehender. "Oft ist kein Geld mehr da für Gesundheitspflege oder keine Zeit."

Doch nicht nur Mangel an Vorsorge ist der Auslöser von Krankheiten. "Es ist in erster Linie die soziale Ungerechtigkeit, die krank macht", sagt Sir Michael Marmot, Leiter der Kommission "Soziale Determination von Gesundheit" der Weltgesundheitsorganisation (WHO), auf dem am Freitag begonnenen Kongress "Armut und Gesundheit.

In Berlin ist laut den jüngsten Zahlen des Statistischen Landesamtes fast jede dritte Familie mit Kindern unter 18 Jahren alleinerziehend - Tendenz steigend. Insgesamt lebten im Jahr 2006 153.000 Menschen in dieser Stadt allein mit ihren Kindern, 4.000 mehr als noch ein Jahr zuvor. Fast die Hälfte aller alleinerziehenden Mütter sind laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf Hartz IV angewiesen.

"Alleinerziehende sind nicht von sich aus eine Defizitgruppe", sagt Sabina Schulter vom Verband Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). "Sie sind nur stärker betroffen von sozialer Ungerechtigkeit und Geschlechterungerechtigkeit." Schlecht bezahlte Jobs - in Teilzeit oder auf 400-Euro-Basis - treffen Alleinerziehende besonders hart, da sie nicht auf ein zweites Haushaltseinkommen zurückgreifen können. Hinzu kommt, dass eine flexible Kinderbetreuung fehlt, was sie auf dem Arbeitsmarkt zu schwer vermittelbaren Fällen macht.

Bei all diesen Stressfaktoren ist es kein Wunder, dass alleinstehende Mütter ihren allgemeinen Gesundheitszustand als signifikant schlechter bezeichnen als verheiratete: Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, innere Unruhe, Grübelei seien die Folge, besagt eine Studie für die Landesarbeitsgemeinschaft zur Gesundheitsförderung: "Nahezu die Hälfte der Alleinerziehenden leidet unter mäßigen bis starken Schmerzen, bei verheirateten Müttern sind es nur 38 Prozent."

15 Prozent von ihnen hätten außerdem innerhalb eines Jahres den Psychotherapeuten aufgesucht, bei Verheirateten seien es lediglich 4 Prozent. Auch die Kinder von Alleinerziehenden sind stärker von psychischen Problemen, Entwicklungs- und Essstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten betroffen.

"In unseren Beratungen steht Gesundheit nicht so sehr im Fokus", sagt Alexandra Szwaczka vom Berliner VAMV. "Krankheit ist aber oft nicht Thema, weil der Zusammenhang vielen nicht klar ist." Eher gehe es den Betroffenen darum, die Balance zwischen Job und Kinderbetreuung zu schaffen. "Wenn das verbessert wird, dann fühlen die sich auch fitter", sagt Szwaczka.

Die Wirtschaft habe eine gewisse Verantwortung, bessere Arbeitsbedingungen für Alleinerziehende zu schaffen. Das gelte vor allem im Einzelhandel und in Gesundheitsberufen, wo viele Frauen und damit auch Alleinerziehende beschäftigt sind, sagt Elfi Jantzen, familienpolitische Sprecherin der Grünen. "Gleichzeitig muss das Land Nachtkitas für Schichtarbeiterinnen schaffen sowie zusätzliche Betreuung am Abend und am Wochenende garantieren - und dauerhaft finanzieren.

Erste Schritte dazu sind getan. So hat der VAMV Berlin seit April zehn Langzeitsarbeitslose über den öffentlichen Beschäftigungssektor eingestellt, die 36 Kinder von Alleinerziehenden in Charlottenburg-Wilmersdorf betreuen. Die Zahl der Anfragen sei hoch, allein 25 Eltern stünden auf der Warteliste, sagt Alexandra Szwanka. "Der Bedarf ist riesig." Doch um die Finanzierung müssen die Mitarbeiter jedes Jahr aufs Neue bangen - auch ein Stressfaktor mehr für die Alleinerziehenden.

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