Hessen-SPD soll Wahlgeheimnis verletzt haben: Gerüchte über Handy-Spitzelei

Wurden SPD-Abgeordnete vor der gescheiterten Ypsilanti-Wahl gedrängt, ihr Stimmverhalten mit dem Handy zu fotografieren?

Andrea Ypsilanti telefoniert. Oder checkt sie gerade das Stimmverhalten der SPD-Abgeordneten? Bild: dpa

FRANKFURT taz Den Tiefpunkt in der Wählergunst hat die hessische SPD mit 23 Prozent in aktuellen Umfragen erreicht. Der moralische Tiefpunkt muss noch ausgelotet werden. Mitglieder der SPD-Fraktion sollen dazu angehalten worden sein, ihr Abstimmungsverhalten bei der für den 4. November geplanten geheimen Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin mit dem Fotohandy zu dokumentieren. Das meldete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und berief sich auf mehrere, namentlich nicht genannte Landtagsabgeordnete.

Die Partei- und Fraktionsführung der SPD habe so trotz der von der Landtagsverwaltung vorbereiteten, markierungssicher eingeschweißten Stimmzettel den geheimen Charakter der Wahl aufheben und Druck auf mögliche Abweichler ausüben wollen. Das sei "mal wohlwollend, mal drängend" geschehen - und möglicherweise der Anlass für die Entscheidung der drei neuen "Abweichler" gewesen, sich der Öffentlichkeit einen Tag vor der avisierten Wahl als Gegner der eigenen Partei- und Fraktionschefin zu offenbaren, spekuliert die FAS.

Ypsilanti bezeichnete das Verhalten der Dissidenten Jürgen Walter, Carmen Everts und Silke Tesch an diesem Wochenende erneut als "Anschlag auf die gesamte Partei" und als "Verletzung demokratischer Spielregeln".

Wenn es stimmt, was die FAS jetzt behauptet, wurde von Sozialdemokraten versucht, die Landesverfassung, in der die geheime Wahl des Ministerpräsidenten festgeschrieben ist, auszuhebeln und unzulässigen Druck auf frei gewählte Landtagsabgeordnete auszuüben - ein ungeheuerlicher Vorgang. SPD-Fraktions- und Parteisprecher Frank Steibli sagte am Sonntag, dass die Fraktionsführung "niemals" Abgeordnete zu einer Dokumentation ihres Wahlverhaltens aufgefordert oder dazu ermuntert habe. Steibli erklärte allerdings auch, dass damals in dieser prekären Situation "innerhalb der Fraktion" eine Debatte darüber geführt worden sein, wie man Verhältnisse wie bei dem Ministerpräsidentinnen-Wahldebakel von Heide Simonis in Kiel verhindern könne.

"Es wurde viel diskutiert", sagte Steibli weiter. "Aber wenn Andrea Ypsilanti oder der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Reinhard Kahl, von einer solchen illegalen Aktion wie der Geschichte mit dem Fotohandy auch nur etwas gewusst hätten, hätten sie sofort interveniert."

Ypsilanti jedenfalls wurde von ihrem Unterbezirk Frankfurt jetzt erneut zur Direktkandidatin gewählt und für den zweiten Platz auf der Landesliste nominiert. Über die Liste abgestimmt werden soll auf einem außerordentlichen Parteitag am nächsten Sonnabend in Alsfeld.

SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck machte unterdessen den gescheiterten Machtwechsel in Hessen mitverantwortlich für die schlechten Umfrageergebnisse der SPD im Bund. Zudem sprach er sich dafür aus, dass der neue Spitzenkandidat Thorsten Schafer-Gümbel in der hessischen SPD eine "größere Rolle" spielen solle.

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