Kommentar Hessens SPD: Schäfer-Gümbel tut wohl

Der Schlüssel zur Genesung von Hessens SPD ist Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel. Er macht sich nicht zu groß und nicht zu klein. Genau diese Ausgeglichenheit wirkt wohltuend.

Ein Parteitag kürt einen Spitzenkandidaten, eine Wahlliste wird aufgestellt, und der Bundesvorsitzende hält eine Rede. All dies wäre nichts Besonderes, aber dass die Sozialdemokraten in Hessen am Wochenende eine solche Normalität hinbekommen haben, ist beachtlich. Anders gesagt: Joggt jemand einen Kilometer durch den Wald, ist das eine sensationelle Tat, wenn er sich fünf Wochen davor nicht mal auf allen vieren vorwärtsschleppen konnte.

Als der rot-grüne Regierungsplan in Hessen an drei sozialdemokratischen Abweichlern gescheitert war, wurden Briefe hin und her geschickt, Rücktrittsforderungen ausgetauscht und Disziplinarverfahren eingeleitet - die Gefühlspartei fieberte. Aber nun saßen die Sozialdemokraten brav auf den Parteitagsstühlen, saugten Milchkaffee aus roten Röhrchen und bejubelten ihren Spitzenkandidaten. Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn es angesichts der schlechten Wahlchancen ein offenes Gemetzel um sichere Plätze auf der Landesliste gegeben hätte. Auch davon - nichts.

Sogar die Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti hat es geschafft, dem neuen Spitzenkandidaten die Schau zu lassen. Für die Rechtfertigung des Rot-Rot-Grün-Versuchs, für Angriffe gegen die SPD-Abweichler und Medienschelte nahm sie sich nicht mal dreißig Minuten. Ypsilanti beschäftigte sich mit Ypsilanti, und mit dem Neuen beschäftigte sich der Neue - das könnte die Arbeitsteilung sein, durch die ihr Verbleib im Amt der Parteichefin dem Spitzenkandidaten nützt.

Der Schlüssel zur Genesung ist dieser Spitzenkandidat. Während es bei Ypsilanti stets ums Existenzielle, um wichtige Wenden und Willy Brandt ging, macht Thorsten Schäfer-Gümbel weniger Wind. Er überzieht seine Redezeit mit Überlegungen zu Problemen der Dörfer oder zu Breitbandkabeln im ländlichen Raum. Er ist nicht so unklug, die SPD als Medienopfer zu stilisieren, obwohl ihn die Medien verspottet haben. Stattdessen lacht er auch mal über sich. Er macht sich nicht zu groß und nicht zu klein. Genau diese Ausgeglichenheit wirkt wohltuend. GEORG LÖWISCH

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