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"Polylux" ist totDas Neueste von vorgestern

Am Donnerstag läuft "Polylux" zum letzten Mal. Das Magazin sollte Trends entdecken, hat sie aber beerdigt (0.15 Uhr, ARD).

Die "sogenannte" Tita von Hardenberg und das Ende von Polylux. Bild: dpa

Lange nix vom Zeitgeist gehört. Ist der in Urlaub, während sein kleiner Bruder, der Lifestyle, munter durch die Medien turnt? Ach was, der Zeitgeist war nie weg, er hat sich bloß versteckt: im RBB-Mischmagazin "Polylux". Dort kündigt Tita von Hardenberg einmal in der Woche Beiträge an, die erspüren sollen, was es in unsrer Gesellschaft Neues gibt. Das geht seit geraumer Zeit vorhersagbar schief. Am Donnerstag läuft "Polylux" nach zwölf Jahren zum letzten Mal, weil der RBB sparen muss. Es wird Zeit. Denn das Magazin, das Trends entdecken sollte, hat sie stattdessen beerdigt.

Menschen mit kuriosen Hobbys oder außergewöhnlichen Eigenschaften konnten sich darauf verlassen, ab dem Moment, in dem das "Polylux"-Kamerateam bei ihnen im Hausflur stand, zum Mainstream zu gehören. Wahrscheinlich hat die Redaktion viel Zeit damit verbracht, darauf zu warten, dass andere Medien was aufschreiben, das sie dann nachdrehen kann. Im Sommer ging das ganz fürchterlich schief, weil "Polylux" der "Volksdroge Speed" auf den Fersen war und ein Interview mit einem Protagonisten sendete, der nachher zugab, bloß gespielt zu haben, um die "plumpe Internetrecherche" zu entlarven. Von Hardenberg wehrte sich, wie sie es für richtig hielt - mit Ironie, oder besser: dem, was man beim RBB unter Ironie zu verstehen glaubt. Dass dazu mehr gehört, als ein paar verzwickt aufgeschriebene Anmoderationen vom Teleprompter abzulesen und dabei die Mundwinkel so zu verziehen, als ob man gleich was irre Komisches sagen würde, hat ihr in all den Jahren niemand erklärt.

Anstatt sich in den letzten Ausgaben besondere Mühe zu geben - um zu zeigen, dass "Polylux" ganz und gar nicht verzichtbar ist -, hat die Redaktion sich entschieden, so weiterzumachen wie bisher. Vielleicht ist das ja auch der Trick der Sendung, die Zuschauer so sehr mit Themen zu schocken, die sich nicht wegschalten lassen, weil man sich die ganze Zeit ungläubig die Augen reibt und denkt: Darüber können die unmöglich einen fünfminütigen Film machen. Konnten sie aber doch. Über Erwachsene, die in ihrer Freizeit Riesenstrampler anziehen und Baby spielen, über die eventuelle Abschaffung der Schokoladenzigarette, über Menschen, die besonders wild Fahrrad fahren, damit sie sich einen knackigen Begriff dafür ausdenken können, oder andere, die sich mit Miniflügeln von hohen Häusern stürzen. Dazu setzte von Hardenberg vor alles, was irgendwie englisch und nach Trendbegriff klang, ein "sogenannt": "sogenannte ,Adult Babys'", "genannte ,Big Three'", "sogenannte ,Wing Suits'". Vielleicht waren nicht bloß die Themen das Problem, vielleicht war es die Distanz, die "Polylux" zu dem hatte, worüber man jede Woche berichtete, anstatt sich vollends für etwas zu begeistern oder radikal gegen etwas zu stellen.

In der letzten Folge sollen Renate Künast, Clemens Schick, Désirée Nick und Markus Kavka erklären, was ihnen fehlen wird, wenn "Polylux" weg ist, oder besser noch: was nicht, weil das dann ja wieder ironisch wäre. Und die Redaktion zeigt "Trends, von denen die Welt nichts mehr erfahren wird", also "was wir noch so alles in der Pipeline hatten". Liebes "Polylux"-Team, tut uns einen letzten Gefallen: Spart euch das.

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29 Kommentare

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  • P
    polyluxfan

    ganz ehr...

     

    Da versucht mal jeand etwas anders zu machen, schräge Themen nicht reizerisch im Explosivstil auf den tisch zu bringen und dann so ein Artikel von der TAZ.

     

    schämt euch

  • H
    Hauke

    Der TV-Einheitsbrei (Pro7, Sat1, RTL, etc.) ist schlimm, aber noch schlimmer diese Sendung die sich für intellektuell nimmt - es aber nie war.

     

    Gut das sie weg ist.

  • M
    Micha

    Nach diesem Artikel bin ich doch mal wieder froh, mein Taz-Abo gekündigt zu haben. Manches war schwach an Polylux, aber bitte, welche Sendung nahm sich sonst der Subkultur so ehrlich an? Welche ernsthafte Sendung sorgte für so viel Gesprächs- und Diskussionsstoff? Ich bin traurig, über die Taz und das Ende von Polylux.

  • A
    Akku

    Finds sehr schade, dass diese gute Sendung so runtergemacht wird. Jede Folge die ich gesehen habe war außerordnertlich interessant.

     

    Könnt ihr nicht lieber gegen die wirklichen Verbrechen der Fernsehlandschaft protestieren? Kochshows, Talkshows, Mitleids-Bausendungen, unlustige Komedyshows, Telenovelas und Daily Soaps ... im großen und ganzen fast alles was so läuft.

  • S
    seife

    ICh war vor jahren mal statist, als polylux über den neuesten berliner party-trand, nämlich helium-karaoke, berichtet hat. da war alles von vorne vis hinten erfunden. dreckssendung. schon immer gewesen.

  • HH
    horst held

    der artikel trifft es auf den punkt. polylux, hat ungefähr soviel mit dinge anders betrachten zu tun, wie farin urlaub mit punkrock!

    satire - nö(ausser moderatorin), trendbewusstsein auf keinen fall!!! (nicht jeder schwachsinn bei dem drei knallos auf einander treffen ist ein trend - siehe themen der letzten folge!!!) moderne bildsprache - vor jahren vielleicht ( die aktuelle mischung aus viva interaktiv look gepaart mit der arroganten art eines zugekoksten david lynch

    fans ding zu betrachten, wirkt nicht nur dilletantisch, nein sie ist es auch)

    was erwartet man den eigentlich von titta, doch bitte kein tv - zeitgeist magazin...

    ich will mein (steuer)geld zurück!!!

  • S
    Stahl

    Ich habe irgendwann aufgehört, Polylux zu schauen, weil mir der großstädtische Kreativen-Popanz zu lächerlich war. Wenn man in Potsdam lebt, berührt einen das nicht.

  • N
    Nina

    Ich stimme dem Artikel zu - die Munswinkel, herrlich ! - und finde, dass Subkultur nichts im Fernsehen zu suchen hat. Weil: Dann isses keine mehr, ob es bei Arte, ARD oder RTL läuft ist dabei egal.

  • K
    Kimberly

    Ich denke wir haben viel schwierigere Sorgen als dass es nötig wäre aus der TAZ eine BILD zu machen, oder????

     

    PS: Ich als Gentalman entschuldige mich bei der Tina von Hardenbeck für eine derart danebengegriffene und ausschlißlich persönliche Kritik.

     

    Die Tina und das Polylux sind mir persönlich lieber als BILD & CO oder die populistischen Lügen von Roland Koch .... erinnern wir uns doch gleich noch mal (..brutalstmögliche Aufklärung?? ...Kriminalisierung der Jugend .....Bestechung um Wählerstimmen ....usw. usw. usw.

  • F
    fdgbvrse

    hm überraschend. ein taz-artikel über den ich mich mal nicht ärgere, aber um so mehr wundere... ja endlich hört polylux auf!

    aber ich dachte immer polylux und taz hätten dieselbe zielgruppe???

     

    naja gut

  • H
    Hundeblick

    Polylux war, trotz seiner jugendlichen Zielgruppe und der Ausstrahlung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, kein Teil des linken Meinungs-Mainstream. Für mich war die Sendung eher (links-)liberal, sie hatte Mut, auch mal Dinge anders zu sehen. Dafür gibt's jetzt eben die Quittung, sicher nicht nur von der taz.

     

    Natürlich war nicht jeder Beitrag super, aber es ist auch nicht jeder taz-Artikel ein Meisterwerk.

  • O
    Olaf

    Ich liebe Polylux

    - eine der wenigen Sendungen in den Oeffentlichen (von dem Kaese in den Privaten reden wir ja gar nicht), die das Praedikat "Unterhaltung" wirklich verdient haben: frech, witzig, intelligent - und jeder der hier ernstlich ueber die Relevanz von Berichterstattungen von Subkulturen diskutiert hat die - tatsaechlich gegebene - Ironie tatsaechlich nicht verstanden!

     

    Sehr sehr schade, dass es nun wohl aus ist.

     

    Dieser Artikel ist fuer die Katz

  • C
    Christoph

    Also ganz ehrlich, und hiermit möchte ich ein weiteres Mal subzero beipflichten, Polylux wird fehlen.

     

    Wenn die Sendung zu skurrile oder zu abgehobene Themen bearbeitet hat, wer bitte braucht dann noch eine ganze TAZ-Seite wie "Die Wahrheit"?

     

    Und überhaupt, will die TAZ um 0.15 Uhr (!) noch mehr Sendungen, in denen irgendwelche Schwachmaten unter Trommelwirbel zum 293sten Mal irgendwelche Automarken erraten haben wollen?

    Ich glaube nicht.

     

    Polylux war und ist nötig.

  • W
    Wagemut

    Glaubt Ihr wirklich, dass die Menschen da draussen je diese Sendung gesehen oder wahrgenommen hatten? Der Brandenburger Kartoffelbauer oder der Berliner Kioskbesitzer entschied sich sicher fuer wertvolleres. Die Wunschzielgruppe schaute zu dieser Zeit sicher kaum Polylux, die waren eher damit beschaeftigt Trends zu kreieren oder zu bestaunen - dies aber im wahren Leben.

  • DM
    David Molnar

    Es mag zwar nicht die Alltagsbeschäftigung der Mehrheit gewesen sein, aber immerhin wurde gezeigt, was ganz gewöhnliche Leute in ihrer Freizeit einnehemen konnte, und zwar nicht nur in der schrillen Kuriositätenecke. Was sollte, lieber FAZ mehr gezeigt werden? Politikerbiographien? Erklärungen von den Eliten?

  • D
    donsen

    unnötig so nachzutreten bei jemanden der am boden liegt, praktisch schon unter der erde... beides irgendwie schade!

  • S
    Schnuffi

    Ich fand Polylux gerade wegen der Distanz toll! Aufreg-TV gibt's bei RTL schon genug! Vor allem die Pro- und Contra Berichte fand ich bei Polylux gut! Ich steh auf Ausgewogenheit!

     

    In dem Sinn: Ein Hoch auf Dialektik! Denkt dran: Wo's Pasta gib, gibt's Antipasta! :-) ..und wenn wir gleich dabei sind: Ein Hoch auf die Distanz!

     

    Nunja, aber wir müssen uns wohl damit abfinden, dass Dialektik und Distanz ausstirbt. Ich bin dafür, pessimistische Taz-Beiträge für einseitig zu befinden und dem jeweiligen Autor mangelnde dialektische Fähigkeiten mal eben pauschal zu unterstellen..., ich denke, das ist ja auch im Sinne der TAZ, immer schön distanzlos!

     

    Juhu, what a wonderfull TV world...

  • RM
    Robert M

    Dieser Artikel zählt nicht gerade zu den Sternstunden in der taz-Geschichte. Vielmehr beschleicht mich das Gefühl, ihr versucht krampfhaft etwas negatives an Polylux zu finden. Klar hatte auch diese Sendung ihre Macken, nur haben alle anderen Sendungen bei privaten und öffentlich-rechtlichen meistens noch viel mehr davon! Die Geschichte mit der schlechten Recherche via Internet hätte auch euch passieren können. Oder ist die taz unfehlbar?Polylux war Subkultur pur und erfrischend fruchtig im sonst so grauen TV-Einheitsbrei.

  • M
    Martin

    Warum muss eigentlich alles so kotzernst sein wie die ersten drei Seiten der taz? Schade um die sehr geniale Sendung!

    Der Artikel ist absolut subjektiv und voreingenommen.

  • DS
    Daniel S.

    Gott sei Dank ist es endlich mit Polylux vorbei. Ich habs leider nur ein paarmal sehen können, erinnere mich aber noch gut an einen Artikel von Polylux, bei dem man sich Material in Form eines Internet Forums selbst erstellt hatte...

  • C
    curtiz

    Danke Subzero,

    bei den ersten drei Absätzen bin ich voll und ganz deiner Meinung.

    Im Ernst: eines der besten deutschen Magazine für Subkultur geht den Bach runter!!!! Ersatz: Fehlanzeige!

  • J
    johann

    jetzt heißt es 'tracks' gucken liebe leute.

    läuft angeblich auf arte...

  • TT
    telekommando tito von hardenberg

    näher,besser & radikaleres ÖR-Format ? da gibt es nicht viel, zugegeben, aber TRACKS fiehle mir da schon noch ein...

  • S
    sarah

    @ Subzero: Die Sendung Tracks auf Arte zum Beispiel schafft das auch, und um einiges besser, wie ich finde. Aber das ist vermutlich auch Geschmackssache.

     

    Der Artikel geht mit Polylux vielleicht wirklich etwas zu hart ins Gericht, ich fand einige Beiträge schon interessant und sehenswert, ich hab die Sendung aber auch nicht regelmäßig geguckt. So toll war sie dann halt doch nicht.

  • R
    Richie

    Jetzt mal ganz ehrlich, dies war ein der wenigen Sendungen im deutschen Fernsehen die man sich überhaupt anschauen konnte.

     

    Der Verfasser des Artikels steht wohl auf RTL2 :-)

  • M
    Marcus

    Schwacher taz-Artikel hin, schlechtes öffentlich-rechtliches Fernsehen her, das alles macht Polylux nachträglich weder besser noch erträglicher. Erinnert sich noch jemand an den Objektfetischisten, der sich auf einem Schrottplatz an einen Kran schmiegte?!

     

    Das zentrale Problem ist doch eher das es im bestehenden öffentlich-rechtlichen Fernsehen maximal so etwas wie Polylux geben kann. Mehr ist nicht drin bei den bestehenden Strukturen, Denkprozessen, Abläufen und dem Personal.

     

    Ideen gibt es nicht und falls doch irgendjemand im Apparat eine Idee hat, dann muss diese durch gefühlte 27 Hierachiestufen, bis nach mehreren Monaten und Jahren nichts aber auch gar nichts davon übrigbleibt.

     

    Dass man sich an der Sendung rieb wie ein Objektfetischist, sie guckte, sich aufregte und dann doch dachte "Gut dass es wenigstens so etwas gibt" das ist traurig. Das man Tita von Hardenberg nicht mehr sehen muss ist nicht traurig. Und ihre Armee aus kreativen Praktikannten bastelt bestimmt bald irgendwas was besser als Ehrensenf und Co. KG ist. Im Internet. Hoffentlich.

  • S
    Schreiber

    Ein Ausrufezeichen hinter jeden Satz von Subzero.

  • J
    jan

    Ein absolut treffender Artikel über eine überflüssige Sendung. Von den Mundwinkeln der Tita von Hardenberg bis zu den Lächerlichkeiten, die als Trends präsentiert wurden. Sie glauben, Polylux war nah an der Subkultur, Subzero? Vielleicht misst dieser Irrglauben nur Ihre eigene Distanz zur Subkultur aus.

  • S
    Subzero

    Nicht Polylux, sondern dieser taz-Artikel ist ziemlich schwach. Klar wurden bei Polylux ziemlich viele Anglizismen verwendet, klar wurden bei Polylux Trends formuliert, die so nie im Mainstream ankamen, dennoch war das Magazin einzigartig in der deutschen Fernsehlandschaft und hat eine Niesche besetzt, die ich in Zukunft vermissen werde.

    Welches andere Magazin im deutschen Fernsehen ist so nah an der Subkultur? Welches andere Magazin arbeitet ästhetisch so originell? Und welches andere öffentlich-rechtliche Fernsehmagazin, liebe taz, ist so liberal mit linken Aktivisten und ihren zum Teil illegalen Aktionen umgegangen?

    Der "Skandal" bei dem Beitrag zur Volksdroge Speed hätte bei jedem anderen Fernsehmagazin genauso gut vorkommen können. Die These an sich war nach meinem Empfinden nicht falsch.

    Bei Polylux wurde über vieles berichtet, was ich in der achso alternativen taz vermisse. Es ging ja nicht immer nur um Trends, sondern auch um skurile geselschaftliche Phänomene..

    Diese Polemik ist in ihrer Schärfe unnötig.