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Jugendschutz im InternetDiskussion um Online-Sendeschluss

Der britische Kulturminister schlägt vor, künftig ein Altersrating für Websites einzuführen. Es ist nicht die einzige extreme Online-Jugendschutzidee von der Insel.

Eine Software soll die unter den Jugendschutz fallenden Webinhalte herausfiltern. Bild: dpa

Bislang ist das Internet in den westlichen Ländern noch immer ein Hort der Freiheit: Jeder darf zunächst einmal veröffentlichen, was er möchte. Ist das für Erwachsende erlaubte Pornografie oder Gewalt, bekommt der Anbieter es gegebenenfalls mit den örtlichen Kinderschützern zu tun, damit er Barrieren aufbaut - in Deutschland existiert dazu eine eigene Aufsichtsinstanz der Landesjugendbehörden, die sich "Jugendschutz.net" nennt. Handelt es sich um illegales Material, schreitet die Polizei ein. Eine Vorabzensur findet hingegen nicht statt und hat auch noch nie stattgefunden.

Wenn es nach dem britischen Kulturminister Andy Burnham geht, könnte sich das zumindest bei auf der Insel registrierten Websites demnächst ändern. Die Regierung der Vereinigten Königreiches erwäge eine Reihe neuer Jugendschutzmaßnahmen für das Internet, teilte der Politiker pünktlich zum Jahreswechsel mit. Er sei selbst Vater dreier junger Kinder und glaube, Internet-Provider müssten künftig einen "kinderfreundlichen Web-Zugriff" anbieten.

Burnhams Plan: Das Netz soll künftig wie Videospiele oder Filme in Altersklassen eingeteilt, jeder Websites eine Altersbegrenzung verpasst werden. "Wir müssen darüber nachdenken, klarere Schilder aufzustellen, weil die Welt immer verwirrender wird", sagte der Kulturminister der britischen BBC. "Das gilt besonders für Eltern, die versuchen, sicherzustellen, dass ihre Kinder nur auf für sie geeignetes Material zugreifen." Die Idee dabei ist, dass eine Software auf dem Rechner des Nutzers entsprechende Markierungen auf den Angeboten ausliest, um dann gegebenenfalls einen Aufruf durch Minderjährige zu unterbinden.

Wie diese Einteilung vorgenommen werden soll, sagte Burnham nicht, er hält aber ähnliche Einrichtungen wie bei anderen Mediengattungen für sinnvoll. Im übrigen handele es sich bei dem Vorschlag nicht um Vorbereitungen zur Zensur: "Es geht einfach nur darum, dass die Menschen mehr Informationen haben." Die Meinungsfreiheit solle nicht eingeschränkt werden. Trotzdem wolle er die Öffentlichkeit vor "inakzeptablem Material" schützen.

Burnhams Vorschlag, der weitreichende Konsequenzen für kleine wie große Anbieter von Internet-Inhalten haben könnte, ist nicht die einzige extreme Jugendschutzmaßnahme, die in Großbritannien diskutiert wird. So diskutierte das britische Parlament im Herbst über einen "Sendeschluss" fürs Netz. Im Fernsehen des Landes dürfen ähnlich wie in Deutschland bestimmte Sendungen mit möglicherweise jugendgefährdenden Inhalten erst nach 21 Uhr gezeigt werden. Eine solche Regelung könne man doch auch auf das Internet übertragen, hieß es von Seiten einiger Parlamentarier. Wie sich die Technik umsetzen lassen würde, sagten sie nicht. Zudem verfügen viele Jugendliche inzwischen über einen Rechner im eigenen Zimmer, können deshalb problemlos auch nach 21 Uhr darauf zugreifen.

In Australien wird unterdessen über die Einführung von Zwangsfiltern für alle Internet-Nutzer nachgedacht. In dem Land sollen bald reguläre Web-Angebote stets durch eine Blockadesoftware geführt werden, die gegebenenfalls einschreitet, falls für Kinder unzumutbares Material angezeigt werden soll. Die im Netz eingebaute Software soll sich nur nachträglich abschalten lassen, standardmäßig ist sie stets aktiv. Außerdem wird der Filter stets mit einer schwarzen Liste abgeglichen, die besonders problematisch Angebote enthält. Gut zu funktionieren scheint die Software allerdings nicht: Ein Test im Dezember zeigte, dass die zwischengeschaltete Sperrlösung die Internet-Nutzung deutlich verlangsamt.

Sperrlisten etwa für kinderpornografische Inhalte sind auch in Deutschland auf der Agenda. Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Technologie so bald wie möglich umsetzen, obwohl es von Seiten des deutschen Provider-Verbandes eco e.V. heißt, die Maßnahmen seien zur Problemlösung ungeeignet. Viel besser sei es, gegen die Ersteller solcher Bilder vorzugehen, anstatt sie in nicht zu überwachende Bereiche des Netzes abzudrängen. Dass solche gut gemeinten Filter auch zu weit gehen können, zeigte unlängst ein Beispiel in Großbritannien: Dort wurde die Nutzung des Online-Lexikons Wikipedia durch die Bevölkerung deutlich eingeschränkt, weil ein problematisches Plattencover auf dem Index gelandet war.

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