Kommentar Gute Nachrichten 2009: Wird schon schiefgehen

Die unerträglichen Optimisten werden 2009 endlich auch Zugehörige der depressiven Minderheit. Ein Grund für diese, sich zu freuen - wenn sie denn können.

Sollte 2009 tatsächlich ein Jahr der schlechten Nachrichten werden, gibt es eine Bevölkerungsschicht, die darin keinen Grund für übermäßige Traurigkeit sieht, sondern sogar Kraft daraus schöpft. Denn dann geht es der breiten Masse so wie bislang nur einer ausgegrenzten Minderheit: den depressiven Menschen in unserem Land.

Wie können die nun jubeln! Endlich wird das ganze Land so wie sie: nämlich voll mit grauen, traurigen, niederschmetternden Gedanken. Niemand muss sich 2009 mehr schämen, wenn er schon wieder nicht vor die Tür gehen kann, es nicht zur Arbeit schafft oder einfach zu müde war, sich die Haare zu kämmen. Im neuen Jahr sehen auch die ehemals Fröhlichen, diejenigen, die immer an den Fortschritt und das Wachstum und vor allem an das eigene Vorankommen und ihr Recht auf Glück geglaubt haben, wie die Welt wirklich ist: ein Ort, an dem es wenig zu lachen, aber viel zu überdenken und zu beklagen gibt.

Wenn das so sicher geglaubte Eigenheim plötzlich in unerreichbare Ferne rückt, der Job noch mieser wird, als er ohnehin schon war, und der Flachbildfernseher vom Gerichtsvollzieher abgeholt wird, dann werden diese bisher unerträglich positiven Menschen ein Teil von uns: den depressiven Schwarzsehern. Werden endlich aufhören mit blöden Sprüchen à la: Du musst dich eben mal zusammenreißen! Oder: Schau doch mal, wie schön die Sonne scheint, wie kann man denn da mit zugezogenen Vorhängen in der Wohnung hocken? Und stattdessen endlich einstimmen in das große Klagelied, dass wir Depressiven bislang nur unseren Therapeuten singen konnten. Zukünftig können wir uns als Teil des Kollektivs fühlen, und das wird sicher ein gutes Gefühl. Okay, es ist ein bisschen Rechthaberei dabei, denn wir haben schon immer gesagt, dass das Leben Scheiße ist. Aber diesen Triumph sollte man uns einfach gönnen.

Wie ich persönlich, als Mitglied der depressiven Minderheit, allerdings mit dieser unverhofften Freude umgehen soll, das ist mir noch völlig unklar. Aber ich bin mir sicher: 2009 wird schon schiefgehen.

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