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Schwellenländer in SchwierigkeitenKreditklemme erreicht Indien und China

In der Finanzkrise müssen sich Regierungen Geld beschaffen, um handlungsfähig zu sein. Weil nun alle zugleich auf den Anleihenmarkt drängen, wird es eng.

Die einbrechende Nachfrage macht Exportnationen wie China besonders zu schaffen. Bild: dpa

Die globale Finanzkrise bereitet den Entwicklungs- und Schwellenländern noch schlimmere Probleme als den Industrieländern. "Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum der Entwicklungsländer wurden im Dezember wesentlich stärker nach unten revidiert als für die entwickelten Länder", sagt der britische Ökonom Michael Hughes. Als Grund dafür nennt er zum einen die einbrechende Nachfrage aus den reichen Ländern, die besonders den asiatischen Exportnationen wie Indien und China zu schaffen macht. Zum anderen werde es immer schwieriger, an frisches Geld zu kommen.

Dieses Problem ist bisher eher unterbelichtet: Unternehmen und Regierungen des Südens, aber auch in Osteuropa hängen mangels ausreichender finanzieller Ressourcen viel stärker von ausländischem Kapital ab. Und das macht sich in der Krise rar. Entsprechend erwartet die Weltbank 2009 in den Entwicklungsländern ein Wachstum von nur noch 4,5 Prozent. 2008 waren es 7,9 Prozent gewesen.

Viele Regierungen im Norden entdecken derzeit den Keynesianismus neu. Sie nehmen Schulden auf, um damit Konjunkturprogramme zu finanzieren, meist in Form von Staatsanleihen. Allein die USA wollen nach bisherigem Planungsstand 2009 Anleihen in Höhe von bis zu 2 Billionen Dollar ausgeben. Deutschland plant die Ausgabe von Bundesanleihen und Schatzbriefen in Höhe von 323 Milliarden Euro. Emittenten wie die USA und die Bundesrepublik haben höchste Bonitätsnoten. Risikoscheue Anleger, die sich aus dem Aktienmarkt zurückgezogen haben, werden diese Papiere daher wohl dankbar abnehmen.

Anders sieht es aber bei den Entwicklungs- und auch bei den osteuropäischen Transformationsländern mit deutlich schlechterer Bewertung aus. Im Herbst, als sich die Finanzkrise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers deutlich verschärfte, flüchteten bereits viele Investoren aus deren Staatsanleihen. Seither ist der Markt so gut wie eingefroren.

"Für Entwicklungsländer hat sich die Situation seit September geändert", meint Weltbank-Volkswirt Hans Timmer. "Was im Grunde ein finanzielles Problem der USA war, wurde plötzlich zur globalen Finanzkrise."

Wenn die reichen Industrienationen selbst zahlreiche neue Anleihen ausgeben, werden die ärmeren Länder geradezu aus dem Markt gedrängt - "crowding out" heißt dieser Effekt im Finanzjargon. Um überhaupt Käufer anzulocken, müssen sie immer höhere Zinsen bieten.

Russland, das stark unter dem fallenden Ölpreis und unter Kapitalflucht leidet, bietet ein abschreckendes Beispiel: Vor drei Wochen stufte die Ratingagentur Standard & Poors zum ersten Mal seit fast zehn Jahren russische Staatsanleihen herunter. Da musste der Staat schon einen Renditeaufschlag von fast 9 Prozentpunkten gegenüber US-Anleihen zahlen. Kasachstan sei der Staat, dessen Finanzsystem die höchsten Risiken aufweise, warnt die Weltbank.

Für die oftmals hoch verschuldeten Entwicklungsländer bedeuten die hohen Zinsen eine zusätzliche Belastung. Wenn es ihnen nicht gelingt, fällig werdende Kredite oder Anleihen durch neue Schulden zu refinanzieren, drohen im schlimmsten Fall Zahlungsausfälle.

Dann könnte der Internationale Währungsfonds (IWF), der im vergangenen Jahr bereits Ungarn, der Ukraine und Pakistan zu Hilfe eilen musste, noch viel zu tun bekommen. Einen interessanten Ausweg hat da unlängst Ecuador gefunden (siehe taz vom 15. 12. 2008): Das Land stellte den Schuldendienst für bestimmte Staatsanleihen ein, die eine Regierungskommission für illegitim befand.

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