DIE DREI FRAGEZEICHEN: „Ich habe keinen Fernseher“
WIRKLICH? Bildungsbürger guckt „heute“, Hartz IV guckt „Dschungelcamp“. Oder? Eine Studie der Uni Halle über das Klischee vom Unterschichten-TV
taz: Frau Kochanowski, für Ihre Studie haben Sie zwei Wochen lang den Fernsehkonsum von drei bildungsfernen Familien mit prekären Einkommensverhältnissen beobachtet. Wie viel „Dschungelcamp“ wird denn da nun wirklich geschaut?
Katja Kochanowski: Genau da muss man eben differenzieren. Während eine Familie die gängigen Klischees eher bestätigte und tatsächlich, und zwar nahezu den ganzen Tag, fast ausschließlich Doku-Soaps und schlichte Unterhaltungsformate schaute – Gerichtsshows, Ermittlersoaps –, schaltete die andere Familie auch durchaus klassisches Bildungsfernsehen ein: Diskussionsrunden auf Arte etwa, Reportagen, Magazine wie „extra“. Oder eine Interviewrunde mit Angela Merkel, das war vor der Bundestagswahl 2009. Das Klischee „Ich setz mich den ganzen Tag vor RTL II und lass mich berieseln“ stimmt also nicht.
Wie viele banale Unterhaltungsformate konsumiert denn das Bildungsbürgertum?
Die interessanteste Frage wäre wohl: Was konsumiert man sonst noch außer Fernsehen? Ich denke nämlich, dass weniger das Programm das Problem ist, als das, was drumherum stattfindet. Spielen auch noch andere Medien eine Rolle – Theater, Buch, usw. Bekomme ich auch noch andere Anreize außerhalb der pseudorealen Fernsehwelt, etwa durch meinen Job. Das ist beim Bildungsbürgertum gemeinhin der Fall, bei den Familien aus der Studie nicht, und das ist wahrscheinlich auch der entscheidende Unterschied.
Wie viel RTL II schauen Sie zu Hause?
Gar nicht. Ich habe keinen Fernseher. INTERVIEW: ANNA KLÖPPER
■ Katja Kochanowski, 31, promoviert an der Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ihre Pilotstudie „Gibt es das Unterschichtenfernsehen?“ erschien in der Reihe Hallische Medienarbeiten halma
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