Elser und Stauffenberg: Ikone des Widerstands
Die guten Deutschen: Im Hamburger Institut für Sozialforschung diskutierte man über die Hitler-Attentäter Claus Schenck Graf Stauffenberg und Georg Elser.
Im Rahmen der montäglichen Vortragsreihe des Hamburger Instituts für Sozialforschung war an diesem Montag der Zeithistoriker Michael Wildt mit einem Doppelporträt an der Reihe. Die beiden Porträtierten, Claus Schenck Graf Stauffenberg und Georg Elser, hatten nur eines gemeinsam: ein vergebliches Bombenattentat auf Adolf Hitler. Aber nach ihrer sozialen Herkunft, ihrer Gedankenwelt und ihren Motiven hätten die beiden Porträtierten unterschiedlicher nicht sein können.
Hier der Spross einer alten schwäbischen Aristokratenfamilie, aufgewachsen im national-konservativen Milieu, durchdrungen vom Bewusstsein, zur deutschen Elite zu gehören. Außerdem zivilisationskritisch, ein begeisterter Anhänger des "Dichterfürsten" und Verächters der Demokratie Stefan George. Dort der aus einem armen heruntergekommenen Elternhaus stammende Georg Elser. Ein Handwerker. Sympathisant der Kommunisten, aber kein Mitglied, einsam, ohne ein Netz freundschaftlicher oder politischer Beziehungen.
Wildt gelang es in seinem Vortrag herauszuarbeiten, wie Elser, von politischen Informationen und Debatten weitgehend abgeschnitten, doch klar erkannte, dass Hitler auf den Krieg lossteuerte und dass der Entscheid zum Krieg weitgehend von der Person des Tyrannen abhing. In schroffem Gegensatz dazu teilte Stauffenberg während der ersten Erfolge der Wehrmacht als hoher Offizier die allgemeine Kriegsbegeisterung. Erst als die Offensive in der Sowjetunion stecken blieb, erst als sich die Niederlage der deutschen Truppen im Osten abzeichnete, wandte er sich von Hitler ab. Er war vom Führer enttäuscht, nicht vom Führerprinzip. Das kommt noch in einem von ihm und seinem Bruder verfassten Eid am Vorabend des 20. Juli zum Ausdruck.
Was wollte Wildt beweisen? Trotz einer präzisen Charakterisierung der elitären und antidemokratischen Positionen Stauffenbergs kam es Wildt nicht auf eine Konkurrenz der Motive von Stauffenberg und Elser an. Eher wollte er darauf hinaus, dass Zivilcourage kein Privileg (geistes-)aristokratischer Gesinnung gewesen war, wie der Publizist Karl Heinz Bohrer es kürzlich in der SZ postulierte. Alle Menschen, so Wildt, Immanuel Kant paraphrasierend, haben eine Chance, sich aus der Unmündigkeit zu befreien.
Die Diskussion konzentrierte sich, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Hollywood-Produktion mit Tom Cruise, auf den Helden als entschlossenen Tatmenschen, wobei von jeder sozialen Verortung, jeder Widersprüchlichkeit Abstand genommen wird. Der ehemalige Politiker und Publizist Freimut Duve warf in der Diskussion populären Filmen wie der "Operation Walküre" vor, durch die Heroisierung des "guten Deutschen" Stauffenberg den Blick auf das "eigentliche" Verbrechen, die Ausgrenzung und Ermordung von Millionen Menschen durch die Nazis, zu verstellen.
Über Elser, den unheldischen Helden, wurde wenig diskutiert. Das lag nicht zuletzt daran, dass es im Gegensatz zu Stauffenbergs Korrespondenz, zu den Zeugnissen überlebender Freunde und Mitverschwörer nur sehr dürftige Quellen gibt und die Verhörprotokolle der Polizei nach seiner Verhaftung mit Vorsicht zu lesen sind. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war die Behandlung der beiden Attentäter höchst unterschiedlich. Stauffenberg wurde zuerst als Landesverräter angesehen, stieg jedoch schon Ende der 50er-Jahre zur westdeutschen Widerstandsikone auf. Elsers Mutter musste sich noch lange Zeit nach 1945 sogar der Verleumdung erwehren, das Attentat ihres Sohnes sei die Ränke einer NS-Clique gewesen. Letztere Behauptung stammt von Martin Niemöller und ist von ihm nie zurückgenommen worden.
Es war Michael Wildt selbst, der die Schlussfrage stellte, ob denn Attentate auf mörderische Tyrannen, bei denen der Tod unschuldiger Opfer in Kauf genommen wird, nach unserem heutigen Verständnis zu rechtfertigen seien. Um dieses Thema machte die Versammlung einen großen Bogen.
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