Kommentar Grundsicherung für Kinder: Gut gemeint, schlecht gerechnet

Solange es nicht genügend Kita- und Arbeitsplätze für Mütter gibt, will die Familienlobby arme Familien direkt finanziell unterstützen.

Rechtzeitig zum Wahlkampf fordert ein Familienbündnis ein weiteres Mal eine Kindergrundsicherung: 500 Euro für alle Kinder bis 27 Jahre. Dass auch namhafte Experten sich anschließen, hat mit Familienministerin Ursula von der Leyens bisher wenig wirksamer Familienpolitik zu tun. Dabei war ihr Ansatz nicht schlecht: Elterngeld und Kita-Ausbau sollten vor allem die Erwerbstätigkeit der Mütter fördern. Würden sie mehr verdienen, hätte die Familie mehr Geld und es gäbe weniger Kinderarmut, so das Konzept. Deshalb unterstützte die Ministerin eine sogenannte "Objektförderung" statt einer "Subjektförderung": Der Staat stellt die Infrastruktur, damit die Eltern sich anschließend selbst finanzieren können. Das bringt weniger Transferkosten und mehr Steuern.

Dummerweise funktioniert dieser Ansatz kurzfristig nicht. Und das ist es, was die Familienlobby nun antreibt: Es gibt im Moment weder die Kita- noch die Arbeitsplätze für Mütter. Deshalb drängen die Experten nun zur Subjektförderung: mehr Geld für Familien, vor allem für arme. Dabei findet auch das Bündnis Objektförderung prinzipiell richtig. Wenn die Kitas erst mal gebaut seien, dann könne die Grundsicherung wieder gesenkt werden, schlagen die Verbände vor.

Das allerdings ist eine Rechnung ohne den Wirt, also ohne die Politik. Es klingt, als könne man die Familienleistungen mal eben so umbauen: dieses Jahr so, nächstes Jahr dann wieder anders. Wer je einen Blick in die Verfassungsgerichtsurteile zum Thema Familienleistungen geworfen hat, weiß, dass es hier um heilige Kühe geht. Jeder Deut an Änderungen bringt jahrelangen Rechtsstreit mit sich. Allein die Abschaffung des Ehegattensplittings, die das Bündnis zur Finanzierung vorschlägt, ist so wohl kaum verfassungsgemäß.

Am besten wäre natürlich, man würde Subjekt- und Objektförderung gar nicht gegeneinander ausspielen, sondern einfach beides ermöglichen. Eine Grundsicherung statt des jetzigen Förderflickenteppichs ist dabei auf jeden Fall sinnvoll. 500 Euro pro Kind allerdings sind so erst mal nicht finanzierbar.

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Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.

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