Umweltzone wirkt ein wenig: Lompscher erkämpft Lufthoheit

Viele Berliner sind wegen der Umweltzone auf neuere Fahrzeuge umgestiegen, verkündet die Umweltsenatorin. Dadurch gibt es viel weniger Dieselruß - insgesamt sank die Feinstaubmenge aber nur gering.

Prozentualer Erfolg: Die Umweltzone in Berlin Bild: dpa

Die Umweltzone wirkt: Durch das Fahrverbot für Fahrzeuge ohne geregelten Katalysator ist die Dieselrußemission um 24 Prozent gesunken. Das ergibt eine Untersuchung der Senatsverwaltung für Umwelt, die Senatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) am Mittwoch vorstellte: "Unsere Wirkungsanalyse bestätigt unsere Annahme, dass die Umweltzone gesundheitsgefährdende Schadstoffkonzentrationen mindert." Feinstaub, wozu auch der Dieselruß gehört, ist ein Auslöser von Lungenkrebs, Allergien und Asthmaanfällen. Der Verkehr ist allerdings nur für einen Teil des Feinstaubs in der Stadt verantwortlich - die Gesamtbelastung sank daher nur leicht (siehe Text rechts).

Etwas mehr als die Hälfte des Feinstaubs in Berlin kommt mit dem Wind von außerhalb. Das Land hat darauf also keinen Einfluss. Bleibt der Rest: Etwa ein Drittel des Feinstaubs wird durch den Verkehr in Berlin verursacht – davon aber auch ein Teil dadurch, dass Fahrzeuge Staub von der Straße aufwirbeln. Die Abgase aus den Auspuffen sind also nur für gut 20 Prozent des Feinstaubes verantwortlich. Selbst große Einsparungen bei der Fahrzeugtechnik führen insgesamt nur zu einem kleinen Rückgang des Feinstaubes.

Das relativiert auch die um 24 Prozent gesunkenen Dieselrußemissionen durch die Umweltzone: Die Gesamt-Feinstaubbelastung in Berlin ist dadurch nur um 3 Prozent gesunken. „Das sieht auf den ersten Blick nicht so großartig aus“, sagt Martin Lutz vom Immissionsschutz-Referat der Umweltverwaltung. „Aber es gibt keine andere Maßnahme, mit der wir den Feinstaub so wirksam vermindern könnten.“

Und noch ein großer Faktor ist nicht zu beinflussen: Das Wetter. Wenn der Wind durch die Stadt weht, fegt er den Feinstaub schnell raus nach Brandenburg. Ohne Wind hängt der Feinstaub dagegen in den Straßen. Darum wird derzeit mehr Feinstaub gemessen als im Vorjahr. Lutz: „Der Winter war kalt, da wurde viel geheizt, und es gab außerdem wenig Luftaustausch.“ Ganz anders als im Jahr zuvor, „wo ja kaum Winter war“.

Im kommenden Jahr verschärft Berlin die Umweltzone: Dann dürfen nur noch Autos mit einer grünen Plakette in der Stadt unterwegs sein. Wer mit einer gelben oder roten Plakette unterwegs ist, darf dann nicht mehr in den S-Bahn-Ring. Berlin gehört damit bundesweit zu den Vorreitern – die meisten anderen Städte warten noch ab oder wollen auch Fahrzeuge mit einer gelben Plakette tolerieren.

Die von der Europäischen Union vorgegebenen Ziele zur Stickoxid-Belastung wird Berlin im kommenden Jahr wohl dennoch nicht schaffen. Lompscher: „Man kann, glaube ich, schon jetzt prognostizieren, dass das nicht gelingen wird.“

Heiko Melzer, Wirtschaftspolitiker der CDU-Fraktion, fordert angesichts der lediglich minimalen Entlastung vom Feinstaub eine Verschiebung der zweiten Umweltzonen-Stufe auf 2012. Es gebe „erhebliche finanzielle Belastungen von Verbrauchern und der Berliner Wirtschaft“. Gerade in der Wirtschaftskrise müsse der Senat Arbeitsplätze erhalten statt gefährden.

Lompscher weist die Kritik zurück: „Die Unkenrufe, dass Unternehmen in Konkurs gehen oder die Touristen ausbleiben, sind verhallt.“ Die Industrie- und Handelskammer habe keinen einzigen Betrieb benennen können, der wegen der Umweltzone in die Insolvenz gegangen sei. Und die Zahl der Touristen ist im vergangenen Jahr gestiegen und nicht gesunken.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz fordert noch weitere Anstrengungen. Um die EU-Ziele einzuhalten, seien „weitere Maßnahmen unumgänglich“, so Verkehrsreferent Martin Schlegel. „So muss in mehrspurigen Hauptverkehrsstraßen in der Innenstadt der Autoverkehr deutlich verringert, weitere Tempo-30-Abschnitte sollten ausgewiesen werden.“ Auch der Ersatz von vielgenutzten Buslinien durch neue Straßenbahnstrecken würde die Qualität der Luft deutlich verbessern. SEBASTIAN HEISER

Seit Januar 2008 benötigen Autos und Lastkraftwagen innerhalb des S-Bahn-Rings eine Umweltplakette. Es gibt aber auch knapp 6.700 Ausnahmegenehmigungen, etwa für die Lieferwagen von Firmen. Wer ohne Plakette und ohne Ausnahmegenehmigung unterwegs ist, muss mit einem Bußgeld rechnen - bisher traf es 30.000 Fahrer.

Lompschers Mitarbeiter haben für die Untersuchung vor und nach dem Start der Umweltzone an fünf Stellen in der Stadt die Kennzeichen von mehr als 200.000 Fahrzeugen erfasst. Vom Kraftfahrtbundesamt kam dann die Information, um was für einen Fahrzeugtyp es sich handelt. Dadurch kann der Senat auf einer soliden Datengrundlage vergleichen, wie sich der Autoverkehr in Berlin durch die Umweltzone verändert hat. Außerdem hat die Senatsverwaltung untersucht, welche Autos in Berlin zugelassen waren.

Das Ergebnis: Waren im Jahr 2006 nur 61 Prozent der in Berlin zugelassenen Lieferwagen und Lastwagen so schadstoffarm, dass sie eine Plakette bekommen konnten, so waren es im Dezember 2008 bereits 85 Prozent. "Durch die Umweltzone gab es einen erheblichen Modernisierungsschub bei der Fahrzeugflotte", so Lompscher.

Die Fahrer von alten Fahrzeugen umfahren die Umweltzone also nicht, sondern kaufen sich einen neuen Wagen, mit dem sie dann innerhalb und außerhalb der Umweltzone unterwegs sind. Dadurch wirkt der Bann von Altautos auch jenseits des S-Bahn-Rings. "Die Stinker sind weitgehend verschwunden", sagte Lompschers Mitarbeiter Martin Lutz. Laut der Untersuchung ist der Dieselrußausstoß von Fahrzeugen durch die Umweltzone von rund 260 Tonnen pro Jahr auf weniger als 200 Tonnen gesunken. Auch die durch die Fahrzeuge verursachten Stickoxidemissionen gingen um 14 Prozent zurück.

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