die wahrheit: Metaller im Keller

Die große Hafenrundfahrt mit kleinen Scheiben als Hamburger Nebenprogramm.

Im oberen Stockwerk wurden Vinyl-Preziosen angeboten, es fand eine Plattenversteigerung statt. Bild: dpa

"Rock n Roll is here to stay", rief ich launig zur Begrüßung, und die übrigen zwei Caballeros antworteten ihrer Bestimmung gemäß: "The war drags ever on" respektive "Die hard, Alter". Ich lud sie ein in meinen Nightliner - "Auf den Kindersitz könnt ihr ja eure Rücksäcke packen!" - und dann ging es mal wieder nach Hamburg, weil die da immer noch nicht genau wissen, was Heavy Metal ist, und folglich unser Drei-Mann-Aufklärungsgeschwader einfliegen lassen müssen, um die nötige Klarheit in die Sache zu bringen.

Klingenberg, den sie "Klinge" nennen, hatte sich auf dem Weg dorthin einen Klimaanlagenschnupfen zugezogen und schnüffelte jetzt wie ein Zweitklässler. Und da wir nun schon einmal an die Tore der Hansestadt klopften und die Gespräche bei den Gebrechen und Zipperlein der Menschenfamilie angekommen waren, assoziierte sich Burgwächter, der Dritte im Bunde, auch verantwortlich für "Recherche und Archiv", gesprächsweise hin zu seinem letzten Urologenbesuch. "Seuchen, Hamburg, Schiffsverkehr - da fällt mir ein, ich war doch neulich beim Spezialisten, die Prostata … Und als der Doc seine Fingerlinge überstreifte, meinte er, jetzt käme die ,Große Hafenrundfahrt'." - "Na, dann möchte ich ja nicht wissen, was in denen ihren Kreisen ,Besuch beim Fischmarkt' bedeutet", beeilte sich Klinge, um just danach mit Gebell ins Papiertaschentuch zu sprotzen.

In der Zwischenzeit hatte uns das Navigationsgerät - "die Nävi", denn es steckt ja eine junge Dame in dem Kasten - zum gewünschten Zielort geführt, der mittelgroßen Kiezkneipe "Komet". Der Veranstalter war noch nicht eingetroffen, aber der Mann hinter dem Tresen nickte uns aufmunternd zu. "Ihr könnt schon runtergehen, da muss mal wieder richtig durchgefeudelt werden."

Wir kamen an eine schwere, eiserne Brandschutztür mit der Aufschrift "Geschlossene Gesellschaft" - nicht die besten Vorzeichen für eine ja gewissermaßen auf Öffentlichkeit angelegte Diskussionsveranstaltung wie unsere - dahinter verbarg sich der ehemalige "S/M-Keller". Robuste Schmiedearbeiten an den Wänden kündeten noch von seiner einstigen Bestimmung. Aber in der Mitte des Raums stand zu unserer aller Überraschung ein gewaltiger Trumm von Pokertisch.

"Das hier ist der ganz harte Zock", hörten wir ein qualmverwöhntes Rasseln hinter uns. Der Veranstalter hatte sich also doch noch zu uns bequemt. "An jedem Mittwoch, Jungs", er senkte die Stimme gefährlich leise, und seine verlebten Schlupflider unterstrichen die Brisanz seiner Worte, "an jedem Mittwoch gehen hier die großen Lappen übern Tisch."

Wir folgten ihm beeindruckt zur Werkzeugausgabe, empfingen Besen, Handfeger und Kehrblech und seine freundliche Instruktion: "Besenrein reicht dicke hin." Dann machten wir es uns hübsch, stellten Stühle zusammen, drapierten die Lesetischchen auf die Bühnenattrappe und warteten auf die Gäste. Es kamen dann auch ein paar, und unser Heavy-Metal-Infoabend wurde ein voller Erfolg. Das heißt, wir durften ausreden und nach Abzug unserer Getränke hatten wir sogar fast das Benzingeld raus. Der Veranstalter schüttelte anschließend erstaunt den Kopf und versuchte es mit der alten Lippmann-&-Rau-Lüge: "Ich verstehe das nicht, normalerweise ist der Laden bei solchen Sachen immer rappelvoll." Kurzum, wir fühlten uns ernstgenommen.

Aber dann gingen wir eine Etage höher - und jetzt wurde klar, warum die Gäste nach der Halbzeitpause nicht wieder zurückgekommen waren. Hier fand gerade eine Singleversteigerung statt. Zwei Moderatoren spielten alte Vinylpreziosen an, boten sie meistbietend feil, und wenn keiner zugreifen mochte, wurden sie wild grimassierend und mit exorzistischem Gezeter an die Wand geschmissen. Peter Frampton, Elton John, Crosby, Stills & Nash, ab in den Staub mit euch …

"Das ist immer der absolute Bringer bei den jungen Leuten", feixte der Veranstalter, "da stehen die voll drauf." Und sie haben verdammt recht - ich wäre auch lieber hier oben gewesen.

Dass der Veranstalter uns dann noch Fieten vorstellte, auf dessen Feldern damals die ersten Kornkreise gesichtet wurden und der eine ganz sorgenzerfurchte Stirn machte, offensichtlich in Erwartung einer baldigen außerirdischen Invasion, und dass Klinge dann niesen musste, woraufhin ich dachte: "Genau, gegen unseren guten alten Schnupfen haben die Aliens noch nie eine Chance gehabt!" - das ist eine andere Geschichte und gehört nicht mehr hierher.

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kari

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