Steuerpolitik: Merkels unbestimmtes Machtwort

Die CDU-Spitze drückte sich lange um Festlegungen zur Steuerpolitik - mit dem Hinweis, man brauche erst die Zahlen der Schätzer. Die kommen nun, doch die Union pfeift auf sie.

Hat sich für einen Wahlkampf mit vagen Versprechen entschieden: Kanzlerin Merkel. Bild: dpa

BERLIN taz | Wochenlang tat die CDU so, als würde sich in dem braunen Bürobau mit den gelben Fenstern das Schicksal ihres Wahlprogramms entscheiden. Im Finanzamt von Bad Kreuznach, wo ringsherum der Nahe-Riesling wächst, kam am Dienstag der Arbeitskreis Steuerschätzung zu seiner diesjährigen Frühjahrssitzung zusammen. Am Donnerstag will er seine Ergebnisse verkünden. Mit dem Hinweis, diese Zahlen gelte es erst abzuwarten, drückte sich die CDU-Spitze zuletzt um genauere Festlegungen zur Steuerpolitik.

Doch um Zahlen geht es längst nicht mehr. Seit die Kanzlerin zum Jahreswechsel ihren gut begründeten Widerstand gegen die CSU-Forderung nach niedrigeren Steuersätzen aufgab, reden die Unionisten bei dem Thema munter durcheinander. Wie wenig es dabei auf die harten Fakten ankommt, demonstrierte auf der montäglichen Sitzung des CDU-Präsidiums Angela Merkel selbst. Steuersenkungen kämen ins Wahlprogramm, verkündete sie im Basta-Ton - drei Tage bevor die Steuerschätzer die angeblich so dringend benötigten Zahlen verkünden wollten.

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer erklärte am Dienstag sogar rundheraus, man dürfe sich von den Resultaten nicht abhängig machen. "Das wäre die Kapitulation vor den Schätzern", sagte er. Dabei hatten selbst die Christsozialen in ihrem ursprünglichen Steuerkonzept, das die Kanzlerin seinerzeit als viel zu radikal verwarf, die jetzt diskutierte Milderung der Progression erst für die ferne Zukunft angepeilt. "In der dritten Stufe im Jahr 2012 erfolgt die Abflachung des gesamten Tarifverlaufs", hieß es in dem Papier des damaligen CSU-Chefs Erwin Huber.

Die Frage, für welchen Zeitpunkt die Union ihre Steuersenkungen versprechen will, brachte am Dienstag auch den sonst so wortgewandten Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen ins Schleudern. "In einen Aufschwung hinein auch noch die Steuern zu senken, ist nicht vernünftig", sagte er. "In einem Abschwung macht es auch keinen Sinn." Richtig seien Steuersenkungen hingegen, "um nach einer Jahrhundertkrise wieder Boden zu gewinnen". Demnach kommt es für die Erfüllung des Wahlversprechens darauf an, den Zeitpunkt der Bodenbildung rechtzeitig zu erkennen.

In der CDU-Steuerdebatte jedenfalls ist fester Boden noch nicht in Sicht. Immer schwerer ist auszumachen, worüber die Kontrahenten eigentlich streiten. Der Wirtschaftsflügel mahnt zu rascher Entlastung, die Ministerpräsidenten sind angesichts klammer Landeskassen skeptisch. Doch im Kern votiert kaum jemand gegen Merkels Kompromisskurs, Steuersenkungen zwar zu versprechen, ihre Umsetzung aber unter einen Finanzierungsvorbehalt zu stellen - also auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

Dabei ist es durchaus ein politisches Kunststück, wie sehr sich die Union mit dem Thema selbst in die Defensive gebracht hat. Just am Dienstag veröffentlichte die OECD eine neue Studie, wonach Arbeitseinkommen in Deutschland im internationalen Vergleich am zweithöchsten mit Steuern und Abgaben belastet sind.

Das gilt vor allem für Gering- und Durchschnittsverdiener, vor allem wenn sie Singles sind oder beide Partner arbeiten. Genau daran aber wollen die Unionsparteien nichts ändern. Niemand verteidigt das steuerliche Hausfrauenprivileg, das die OECD-Forscher beklagen, so vehement wie die angebliche Steuersenkungspartei CSU.

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