die wahrheit: Der Alte vom Rhein

Die Bundespräsidentenwahl steht an. Doch wozu ein neues Staatsoberhaupt wählen? Der legitime Amtsinhaber lebt seit Jahren in Rhöndorf bei Bonn.

Seine Frau und er sind nur Marionetten: Horst Köhler wird nie der wahre Bundespräsident werden. Bild: ap

Der wahre und rechtmäßige Bundespräsident aller Deutschen wohnt im Rheinischen und hat das Amt von Konrad Adenauer daselbst als Lehen erhalten. Der Alte von Rhöndorf pflegte nämlich seine Handwerkerrechnungen dergestalt zu vergüten, dass er die braven Meister beiseite nahm, ihnen väterlich schmunzelnd den Staub aus dem Kittel prügelte, ihre Rechnungen aufaß und die bass Erstaunten mit vakant gebliebenen Pöstchen abspeiste, die der alte Fuchs in eben jener Schreibtischschublade hortete, in der er auch den Schnaps zu verbergen suchte. Wenn der Kanzler also zur Flasche griff, so konnte sich der anwesende Meister sicher sein, dass es wieder nichts zu verdienen, alsbald aber immerhin tüchtig zu trinken und anschließend etwas zu repräsentieren gab.

Und so kommt es, dass bis zum heutigen Tage mehrere Innen- und Außenminister, diverse Minister ohne Geschäftsbereich, etliche Regierungsräte und zwei Bundesbankpräsidenten im rheinischen Weiler ihre Geschäfte führen, so weit die morschen Knochen das eben noch zulassen. Bei gutem Wetter kann man sie auf einer Bank am Rhein sitzen sehen, wo sie, von alten Platanen beschattet, über die Zeitläufte räsonieren und arglose Reisende aus Holland mit dem Knüttel bedrohen.

Einen Bundespräsidenten aber, da sind sich die Alten einig, hat der Kanzler nur ein einziges Mal ernannt, denn nur ein Mann hat es je an Gerissenheit und Kaltblütigkeit mit dem Rhöndorfer aufnehmen können, und das war jener Ernst-Maria Plittersdörfer, der nur "Der Einzigste" gerufen wurde. Wie aber konnte er den abgefeimten Rhöndorfer überlisten? Dazu schweigen die Greise, keckern ihr schmutziges Altmännerlachen und lassen versonnen die Blicke über den Strom schweifen, bis der neugierige Fremde eine weitere Runde Kräuterschnaps vom Büdchen springen lässt.

Man soll die Toten ruhen lassen, sagt Bundestagspräsident Juppchen schließlich, und die drei Außenminister nicken. Sie haben weiland das Schwimmbad des Kanzlers gefliest. Das waren andere Zeiten damals, fällt der Jüngste in der Runde ein. Er obwaltet als Sprecher des Bundespräsidenten sowie als Minister für Grabpflege und heißt jeden Neuankömmling auf den Einzigsten warten, der an jedem Sonnabend bei gutem Wetter hier die Parade abnehmen soll. Als die Glatzen der Bundesregierung im milden Abendlicht bluthochdruckrot zu leuchten beginnen, taucht er tatsächlich auf, der wahre und rechtmäßige Bundespräsident aller Deutschen.

Mit raschem Schritt schunkelt also ein beleibter Mann die Rheinpromenade hinab, sein Pepitahütchen bald hierhin, bald dorthin schwenkend, einem jeden ungefragt trostreiche Worte zuraunend. In jeden Kinderwagen greift dieser wahre Bürgerpräsident hinein, um die ergötzten Säuglinge flugs in die Höhe zu recken, zum Kuss an den Mund zu führen und den Müttern die stolzdurchglühten Wangen zu tätscheln. Die Hand zum Gruße entboten, pflügt der Bundespräsident wie ein beträchtlich fleischgewordener Ausflugsdampfer durch die Menschen, die gleich putzigen Seehunden in seiner Bugwelle herumtollen. Schnell ist er von einem gewaltigen Schwips umzingelt, mannhaft zur Schau getragen von einer der führenden Kegelschwesternschaften aus Herne, doch auch diese durchaus heikle Mission auf schlüpfrigstem diplomatischen Parkett erfüllt er zur Zufriedenheit der Bundesregierung, die sich mittlerweile vollzählig zum Freilandschach versammelt hat.

Auch der Jugend ist dieser unser Bundespräsident in Liebe zugetan, er nimmt sie gar in den Schwitzkasten, bis sie den Ball herausrückt, damit das Staatsoberhaupt ihn schnurstracks signieren und in den Fluss werfen kann. Für diese jungen Menschen eine tolle Erfahrung.

Schließlich dräut die Verabschiedung einer niederländischen Delegation - mit beiden Händen ergreift der höchste Repräsentant unseres Staates die bereitwillig dargebotenen Hände seiner europäischen Partner und ermutigt sie unter Absingen einschlägigen Liedgutes zur Weiterfahrt nach Andernach.

Geschafft, schnauft der Bundespräsident, als er schließlich die kleine Anhöhe erklommen hat, auf der das Kabinett bei entkoffeiniertem Bohnenkaffee und Schnittchen lagert. Er lässt sich auf die Regierungsbank plumpsen, nimmt huldvoll ein Mettbrötchen entgegen und ruft den Feierabend aus.

Fragen beantwortet der Bundespräsident heute keine mehr, sagt sein Sprecher, und der Einzigste nickt. Es ist ja alles gesagt über das Amt, und das Übrige geht niemanden was an. Man soll die Toten ruhen lassen, sagt das Juppchen noch einmal, und dann legt die letzte Fähre gen Godesberg ab.

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kari

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