Pakistanischer Richter über Extremismus: "Pakistaner mögen Taliban nicht"

Muneer Malik von der pakistanischen Bewegung der Richter und Anwälte fordert vom Westen mehr Unterstützung für die demokratischen Kräfte in seinem Land.

Es sei "kein konventioneller Bürgerkrieg", meint Malik. Bild: reuters

taz: Herr Malik, sind die Kämpfe gegen bewaffnete Islamisten im Nordwesten Pakistans ein Bürgerkrieg?

Es ist ein Krieg gegen die Militanz, aber kein konventioneller Bürgerkrieg. Die Gebiete wurden bis vor Kurzem von lokalen Ältestenräten im Zaum gehalten. Nach dem Einsickern fremder Kämpfer und der Taliban sind die Ältesten zum Widerstand nicht mehr in der Lage. Jetzt gibt es einen nationalen Konsens, dass die Armee dort die Grundlage für eine Regierung legt, wie sie seit Pakistans Unabhängigkeit vor sechzig Jahren schlicht nicht existiert hat.

Machen Regierung und Armee jetzt ernst mit ihrer Offensive?

Ja. Erstens wird jetzt wahrgenommen, dass es wirklich Ziel der Aufständischen ist, die Kontrolle über weit mehr als nur die nördlichen Gebiete zu übernehmen. Zweitens haben die Medien und die Zivilgesellschaft die Bevölkerung dafür sensibilisiert, wofür die Taliban tatsächlich stehen und wie Pakistan aussehen würde, wenn diese die Macht bekämen. Dabei provozierte die Ausstrahlung eines Videos mit Szenen der Auspeitschung eines Mädchens einen Aufschrei.

Für den Westen ist es am wichtigsten zu verhindern, dass die Atombombe in die Hände der Taliban gelangt. Übertreibt der Westen die Gefahr?

Das ist doch Unsinn! Das Gleiche wurde gesagt, als die Sowjetunion auseinanderbrach. Die Taliban wissen doch nicht einmal, was sie mit einer Bombe machen sollten, wenn sie eine finden.

Ein US-Geheimdienstoffizier wurde mit dem Satz zitiert, in Pakistan bahne sich eine Katastrophe vom Ausmaß der Islamischen Revolution in Iran an.

Nichts liegt der Wahrheit ferner! Es gibt keine revolutionären Bedingungen dafür. Statt dass der Westen die demokratische Bewegung und das Recht stärkt, richtet sich seine Aufmerksamkeit immer nur auf den Extremismus. Das ist eine Tragödie.

Pakistans Expremier Nawaz Sharif meint, die bewaffneten Islamisten könnten zwar kleine Gebiete überrennen, aber die Mehrheit der Pakistaner würde die Demokratie begrüßen und die rigide Islamauslegung der Taliban ablehnen.

Das stimmt. Der beste Weg, die Militanten zu besiegen, ist in die Wirtschaft der nördlichen Gebiete zu investieren, so dass die Menschen etwas zu verlieren haben und sich für die Verteidigung einsetzen. Die große Mehrheit der Pakistaner ist gegen all das, wofür die Militanten stehen.

Pakistans Gesellschaft war sehr kämpferisch, die noch vom Militärdiktator Pervez Musharraf gefeuerten Richter gegen den Widerstand des jetzigen Präsidenten wieder ins Amt zu bringen. Wie verhält sie sich heute?

Inzwischen haben die Medien und andere Organisationen der Zivilgesellschaft für die Gefahren sensibilisiert. Ich bin sicher, dass es zu einer starken Verteidigung der Werte der Mäßigung kommen wird. Wichtig ist, dass der Oberste Richter Iftikhar Chaudhry wieder im Amt ist und Reformen des Justizsystems und die Bekämpfung der Korruption begonnen hat.

Bisher wurden 14 mutmaßliche Al-Qaida-Führer durch US-Drohnen und pakistanische Bomben getötet, aber auch 700 Zivilisten. 1,5 Millionen Pakistaner sind auf der Flucht. Die UNO sprich von einer humanitären Katastrophe. Wie gehen die Pakistaner damit um?

Als ein starkes Erdbeben vor einigen Jahren die nördlichen Gebiete zerstörte, wurde die ganze Nation aktiv. Auch jetzt tut die Zivilgesellschaft was sie kann, aber Freiwillige wollen aus Sicherheitsgründen nicht in die Gebiete reisen. Die Lage der Flüchtlinge ist sehr schlimm, aber es gibt eine Welle der Sympathie für sie.

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