US-Journalistinnen in Nordkorea : Kim Jong Ils Faustpfand

Zwei US-amerikanische Journalistinnen sind in Pjöngjang zu zwölf Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Grund: "Schwere Verbrechen" gegen Korea und illegaler Grenzübertritt.

Abschreckendes Urteil: US-Journalistinnen Lee (l.) und Ling (r.). Bild: dpa

Sie wollten über das Leid nordkoreanischer Flüchtlingsfrauen berichten - und gerieten selbst ins Unglück. Die amerikanischen Journalistinnen Euna Lee und Laura Ling sind am Montag von einem Gericht in Nordkorea zu jeweils zwölf Jahren "Umerziehung durch Arbeit" verurteilt worden. Der Prozess bestätige "das schwere Verbrechen, dass sie gegen die koreanische Nation begangen haben, und den illegalen Grenzübertritt", meldete die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA.

Die beiden Reporterinnen waren am 17. März von nordkoreanischen Soldaten festgenommen worden, als sie an der chinesisch-koreanischen Grenze filmten. Pjöngjang wirft ihnen vor, auf nordkoreanisches Gebiet vorgedrungen zu sein.

Zu den viertägigen Verhandlungen des Obersten Gerichts war kein ausländischer Beobachter zugelassen worden. Allerdings durften die Angeklagten zuvor vom schwedischen Botschafter besucht werden. Die USA pflegen selbst keine diplomatischen Beziehungen zu Pjöngjang. Das harte Urteil fällt in eine Zeit schwerer Spannungen. Im Mai hatten nordkoreanische Militärs zum zweiten Mal einen Atomsprengsatz getestet. Seither sind die Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Erst am Sonntag hatte Außenministerin Hillary Clinton erklärt, ihre Regierung erwäge, Nordkorea wieder auf die Liste jener Staaten zu setzen, die "den Terrorismus unterstützen".

Für das Regime Kim Jong Ils war die Gefangennahme der Journalistinnen ein Geschenk des Himmels: Nun kann es sich ihre Freilassung teuer bezahlen lassen oder sie als Faustpfand bei den Verhandlungen mit den USA nutzen, um politische Zugeständnisse zu erreichen.

Die beiden Frauen - Lee ist koreanischer, Ling chinesischer Abstammung - arbeiteten für das "Vanguard"-Programm des Internet-Fernsehsenders Current TV in San Francisco, der zur Hälfte dem früheren US-Vizepräsidenten Al Gore gehört. Eine Besonderheit der kleinen Station: Zuschauer dürfen das Programm mitgestalten.

Was genau an jenem 17. März geschah, ist nicht klar. Die 36-jährige Lee und die 32-jährige Ling waren zunächst nach Südkorea gereist und hatten später im chinesischen Grenzgebiet mit Flüchtlingen gesprochen, die dort illegal leben. Viele Frauen geraten in die Hände von Zuhältern oder werden an chinesische Bauern als Ehefrauen verkauft.

Der Grenzfluss Tumen ist im Frühjahr zugefroren, die Demarkationslinie ist nicht markiert. Soldaten sind auf beiden Seiten selten zu sehen. Was die Lage hier noch komplizierter macht: Der Fluss gehört in seiner ganzen Breite beiden Ländern.

Der Kameramann Mitch Koss und ein örtlicher Führer des Fernsehteams konnten entkommen. Koss schweigt bislang über die Ereignisse. Offenbar will er seine Kolleginnen schützen.

Öffentlich geschwiegen hat auch Gore, der wohl versucht hat, hinter den Kulissen über die Freilassung der Journalistinnen zu verhandeln.

Dass die Journalistinnen in die Hände der Pjöngjanger Behörden fielen, ist nicht nur für sie selbst und ihre Familien schlimm: Es wäre höchst gefährlich für ihre Interviewpartner in China, wenn der nordkoreanische Geheimdienst Notizbücher, Laptops und Kameras auswerten und auf diese Weise Informationen über Fluchtwege in China und Fluchthelfer finden konnte.

In den vergangenen Jahren gelang tausenden Nordkoreanern die heikle Passage nach China. Mit Unterstützung schlagen sich viele Familien über Land bis in die äußere Mongolei, nach Vietnam oder Thailand durch, um von dort nach Südkorea zu fliegen. Wer in China erwischt wird, wird in der Regel nach Nordkorea ausgeliefert.

"Reporter ohne Grenzen" bezeichnete die Strafen als "schrecklichen Schock" und forderte die umgehende Freilassung. "Die Urteile sollen offensichtlich Journalisten von Recherchen in der Grenzregion zwischen China und Nordkorea abschrecken", sagte die Organisation.

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