Leichtathletik: Unerwarteter Höhenflug

Die 21-jährige Berlinerin Julia Wanner ist derzeit die zweitbeste deutsche Hochspringerin. 1,93 Meter lautet ihre Bestmarke. Wenn sie die schnell noch einmal schafft, darf sie bei der WM in Berlin Mitte August starten.

Woher diese plötzliche Leistungssteigerung kommt, das weiß Julia Wanner selbst auch nicht so genau. "Wir haben die Technik verbessert. Die letzen, drei entscheidenden Schritte sind aggressiver geworden. Vielleicht liegt es daran", versucht sich die erst 21-jährige Hochspringerin an einer Erklärung. Im vergangenen Jahr sprang die Berliner Studentin für Wirtschaftsingenieurwesen konstant um die 1,80 Meter. Ein knappes Jahr später dann 1,85 Meter - und auch schon mal um einiges höher: Etwa vor zwei Monaten beim Hochsprungmeeting im niedersächsischen Garbsen. Da blieb die Latte selbst bei 1,93 Meter noch fest in der Verankerung. Mit dieser Höhe hat sich für die nur 1,77 Meter große Hochspringerin aus Tempelhof einiges geändert. Julia Wanner nimmt jetzt an der 25. Sommer-Universiade in Belgrad teil.

Die Universiade sind Studentenweltmeisterschaften, die alle zwei Jahre ausgetragen werden. Nach den Olympischen Spielen ist es die mit 15 Sportarten größte Multi-Sportveranstaltung der Welt. Vom 1. bis zum 12. Juli gehen dabei in der serbischen Hauptstadt rund 10.000 Athleten aus 150 Ländern an den Start. Der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband (ADH) entsendet 120 Sportlerinnen und Sportler nach Belgrad, acht stammen aus Berlin.

Julia Wanner ist eine von ihnen. "Für mich ist Belgrad mein erster internationaler Wettkampf und mein erster Auftritt im Trikot der Deutschen Nationalmannschaft. Das ist schon etwas ganz Besonderes", freut sie sich. In der nationalen Rangliste des Deutschen Leichtathletik-Verbandes steht aktuell nur noch die Ausnahme-Hochspringerin Ariane Friedrich (2,06 Meter) vor der Berlinerin. Ihr eigentliches Saisonziel, die U23-Leichtathletik-WM im litauischen Kaunas Mitte Juli, ist für die Studentin an der Technischen Fachhochschule Wedding da schon ein wenig in den Hintergrund gerückt: Dank der übersprungenen 1,93 Meter ist Julia Wanner um eine sportliche Option reicher. Sollte sie diese Sprunghöhe noch einmal nehmen, dann wäre die für den LAC Berlin startende Athletin für die Leichtathletik-WM Mitte August in Berlin qualifiziert. "Erst Universiade, dann vielleicht die WM in Berlin. Das hatte ich vor einem Jahr sicher nicht im Kopf", erklärt die blonde Hochspringerin.

Julia Wanners Alltag ist in diesen Wochen fast ausnahmslos von Studium und Training bestimmt. Alte Ziele und Pläne für das Jahr 2009 sind aus den Fugen geraten, Lebens- Arbeits- und Sportschwerpunkte werden anders gewichtet. "Knapp 30 Stunden Uni, zehn Stunden Training in der Woche", rechnet sie vor. Bei dieser Doppelbelastung bleibt nicht mehr viel Zeit, etwas anderes zu unternehmen. "In dieser Saison wird das Studium eher dem Sport angepasst. Ich habe darauf geachtet, mir den Stundenplan nicht total vollzuknallen, damit ich überhaupt noch Zeit zum Training habe", erläutert Wanner ihre Strategie. Klausuren, die sie durch ihre Wettkampfreisen wie zur Universiade nach Belgrad verpasst, holt Wanner in Absprache mit dem Sportbeauftragten der Uni später nach.

Ihrer Ansicht nach lassen sich Studium und Hochleistungssport gut vereinbaren, das richtige Zeitmanagement vorausgesetzt. Sich voll auf den Sport zu konzentrieren, wie es beispielsweise die Sportsoldatinnen und Sportsoldaten tun, davon hält Wanner nicht viel. "Ein Leben, das nur aus Training und Wettkampf besteht, das wäre nichts für mich." Das Studium ist für sie fast eine Art Ausgleich, eine Zerstreuung.

Ehrgeiz und die realistische Aussicht auf Erfolg in der Uni wie im Sport sind die Triebfedern für Wanners noch junge Karriere. Bemerkenswert selbstsicher und eigenverantwortlich steuert sie sich durch ihren an Terminen reichen Alltag. Eine Unterstützung vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) erhält sie bei alldem nicht. Die 21-Jährige ist dank ihrer konstanten Leistungen zwar in den B-Kader des Verbandes aufgestiegen. Doch Zählbares springt deswegen nicht heraus.

Ihre zwei Paar Sportschuhe, die sie in einem Jahr verschleißt, kauft sich die Hochspringerin auf eigene Kosten. "Ich kenne zum Glück einige Leute in einem Outlet und bekomme da Prozente", sagt sie lachend. "Rund 400 Euro investiere ich pro Jahr in meinen Sport", das hat Wanner mal nachgerechnet, und da lacht sie schon nicht mehr. Es ist schon befremdlich, wie der sein Nachwuchsproblem dauerhaft beklagende Deutsche Leichtathletik-Verband mit seinen jungen Athletinnen und Athleten umgeht. Julia Wanner hat das, je höher sie springt, auch mehr und mehr überrascht. Spätestens im nächsten Jahr will sie sich endlich mal um Sponsoren kümmern.

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