Altersstudie: Mit Windeln in den Tod

Laut einer Untersuchung des Uniklinikums zufolge sind ältere Menschen immer einsamer. In der stationären Pflege litten zudem viele an Durchliegestellen.

30 Prozent der untersuchten Rentner starben im Pflegeheim. Zwölf Prozent wiesen "Durchliegestellen" auf. Bild: dpa

In seiner am Mittwoch vorgelegten Altersstudie räumt der Leiter der Rechtsmedizin am UKE, Klaus Püschel, auf mit dem Bild vom selbständigen und fitten Rentner. Etwa 8.500 Verstorbene ab dem 60. Lebensjahr hat Püschels Institut im vergangenen Jahr untersucht. Die Todesursachen seien vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Tumorerkrankungen.

Viel interessanter waren für Püschel jedoch Angaben zum Pflegezustand, Sterbeverlauf sowie zur Ernährung. Nur selten geben Todesbescheinigungen darüber Auskunft. "Die meisten Toten, die ich sehe, tragen eine Windel", sagt Püschel. Schließlich starben über 40 Prozent der Untersuchten im Krankenhaus und rund 30 Prozent in einem Pflegeheim. Trotz großer Verbesserungen im Pflegebereich in den vergangenen Jahren gebe es keinen Grund, sich zufrieden zurückzulehnen, sagte Püschel.

So wiesen rund zwölf Prozent der Verstorbenen geringfügige Durchliegestellen auf. Mehr als drei Prozent aber litten unter Druckstellen schwersten Grades. Bei dieser Form sind bereits Sehnen, Muskeln und sogar Knochen von der mangelnden Wundpflege betroffen. Ebenfalls untersucht wurde der Zahnstatus der Toten. "Das war besonders bedrückend", sagt Püschel. Demnach waren bei vielen Gebiss und Zähne in einem desolaten Zustand. Das habe auch die Ernährung beeinträchtigt. Flüssignahrung oder eine Magensonde war nicht selten die Folge.

Den Rechtsmedizinern fiel besonders auf, dass die Suizidfälle im Alter relativ gesehen zunehmen. Der Grund sei immer häufiger die Einsamkeit, sagt Püschel. Außerdem würden vermehrt ältere Menschen alleine in ihrer Wohnung sterben. Nicht wenige von ihnen sind der Studie zufolge alkoholabhängig oder psychisch krank. Vor ihrem Tod lebten die Menschen in einem verwahrlosten Zustand. Oft dauere es mehrere Tage, bis sie aufgefunden werden.

Die Gewerkschaft Ver.di bezeichnet die Situation alter Menschen in Hamburg als skandalös. "Die Arbeit in der Pflege muss endlich mehr gesellschaftliche Anerkennung bekommen, damit ältere und kranke Menschen ein würdiges Leben führen können", sagt Landeschef Wolfgang Rose. Zudem sei die von den Kassen bezahlten Pflegezeiten zu knapp bemessen. Gute Pflege könne so nicht gewährleistet werden, sagte Rose.

Entsetzt ist auch Wolfgang Joithe, sozialpolitischer Sprecher der Linksfraktion. "Das sind unhaltbare Zustände", sagt er. Für die Situation in den Pflegeheimen macht Joithe den Mangel an Pflegekräften, die hohe Arbeitsverdichtung und die chronische Überbelastung verantwortlich.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.