die wahrheit: Generation GAU
Die Seele der Kernkraft oder der Mensch hinter den Brennstäben. Nach dem neuesten Störfall im Kernkraftwerk Krümmel liegen die Nerven der deutschen AKW-Mitarbeiter blank...
Anwürfe von allen Seiten, Häme und Spott, unsachliche Anschuldigungen und Verteufelungen sind nun an der Tagesordnung. Die Atom-Werker sind einiges gewohnt, aber diese Hexenjagd zerrt gewaltig an ihrem sichtlich zerschlissenen Nervenkostüm. Dabei sind die Mitglieder der Atom-Community Menschen wie du und ich, Mitbürger, die ehrliche Arbeit leisten für ehrlichen Lohn, Verantwortung tragen dafür, dass auch morgen noch Saft fließt aus deutschen Steckdosen. Es muss endlich Schluss sein mit dem menschenverachtenden Kesseltreiben! Die Wahrheit stellt sich ihrer Verantwortung für eine dringend gebotene Versachlichung der Debatte und sucht den Menschen hinter den Brennstäben.
Ortstermin in Krümmel. Ein leichter Brandgeruch liegt in der Luft. Zwei Schweißer knien vor einem Getränkeautomaten und reparieren den komplizierten Ausgabemechanismus. Antje Henrichs kontrolliert die Arbeiten auf ihrem Monitor. Seit sie vor zwei Jahren die Leitung des neu geschaffenen Bereichs Revisionskoordination im Kernkraftwerk Krümmel übernommen hat, ist dies ihr täglich Brot.
Aufwendige Wartungsarbeiten am Kantinenkühlschrank und penible Prüfung des Keksdoseninhalts gehören ebenso dazu wie die Umsetzung von langer Hand geplanter Projekte zur ständigen Anlagenmodernisierung. Bei ihrem Gang durch das Kraftwerk wirft Antje Henrichs immer wieder prüfende Blicke auf einzelne Körperteile von Mitarbeitern.
Die Kommunikation mit den arbeitenden Menschen ist für die gelernte Bäckereifachverkäuferin Herzensangelegenheit. Als eher unangenehm empfindet sie es, wenn sie ernste Gespräche führen muss. Die Angehörige der Generation GAU lobt lieber und gibt gern einen Klaps auf einen knackigen Hintern. "Das motiviert meine Mitarbeiter", meint die gutaussehende Enddreißigerin.
Ihr nächstes Ziel sind die Zigarettenautomaten in der Kantine. Hier sind Fachleute dabei, die Bestände zu prüfen. "Intensive Vorbereitung ist alles", erklärt sie. "Eine Revision wird Monate vorher minutiös geplant." Macht sie es nervös, wenn trotzdem mal ein Transformator durchschmort? Antje Henrichs schmunzelt. "Nein, die Analyse möglicher Risiken gehört zu einer guten Vorbereitung. Über mögliche Gegenmaßnahmen machen wir uns Gedanken, bevor sie erforderlich werden."
Gundremmingen. Wir besuchen Anneliese Fürbringer, Werkschützerin in der idyllisch gelegenen Atomanlage. An Anneliese kommt so schnell niemand vorbei. Die Aufgabe der quirligen Hessin ist es, Personen und Fahrzeuge zu kontrollieren, auf Streife zu gehen oder Mitarbeiter von Fremdfirmen zu überprüfen. "Ein verantwortungsvoller und spannender Job", meint die patente Frau, die auch schon den einen oder anderen Chaoten mit gezielten Karatehieben am unbefugten Betreten des Werksgeländes gehindert hat.
Grohnde. Sie spielt Harfe und beherrscht fünfzehn Fremdsprachen - von Englisch über Altgriechisch bis Uigurisch. Die gelernte Brennstoffbeschafferin Wilma Feddersen ist in Grohnde für den Einkauf von Natururan verantwortlich und begeistert sich seit frühester Jugend für die lustigen kleinen Atome.
"Als Kinder haben wir nach dem Kirchgang häufig Sonntagsausflüge zu Kraftwerken gemacht - das prägt natürlich", sagt die bekennende Christin mit einem bezaubernden Lächeln. Die Entsorgung abgebrannter Brennelemente erledigt die charmante Hamburgerin mit ihrem Passat Kombi am liebsten selbst. "Da weiß man wenigstens, ob alles am richtigen Platz abgeladen wurde."
Magnus Dorow mag Bewegung und frische Luft. Im Sommer nimmt er deshalb manchmal das Fahrrad. 20 Kilometer elbaufwärts sind es von seinem Reihenhäuschen bis zu seinem Arbeitsplatz im Kernkraftwerk Krümmel. Oder Krümmel-Monster, wie der vierfache Vater seinen Betrieb liebevoll nennt. "Die Arbeit hier ist sehr abwechslungsreich und macht auch nach so langer Zeit noch Spaß", versichert der engagierte Atom-Junkie.
Egal ob an der Kaffeemaschine eine verkalkte Leitung ersetzt oder die empfindliche Milchaufschäumdüse ausgetauscht werden muss - bei Magnus Dorow laufen alle Fäden zusammen. Mit seiner angenehm schläfrigen Art behält der gelernte Mess- und Regelmechaniker auch den Überblick, wenn mal gerade wieder ein Aggregat durchbrennt.
Auch skeptischen Fragen zum Thema stellt er sich gern. Magnus Dorow weiß, dass viele Ängste und Vorurteile von Unkenntnis herrühren. "Ich lade die Menschen dann immer ein, einmal eine Führung durch das Kernkraftwerk zu machen. Die Sauberkeit in unserem Betrieb überzeugt sie immer." Keinen Spaß versteht er aber, wenn Politiker und Medienmacher es beim Thema Kernkraft an der gebotenen Sachlichkeit fehlen lassen. Dann kann der begeisterte Hobbyangler ganz schnell ungemütlich werden - und der ungebetene Nörgler sollte sich dann tunlichst rasch, nun ja, verkrümmeln.
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