Daimler-Ingenieur übers Auto der Zukunft: "Wir brauchen mehr Varianten"

Batterie und Elektromotor – so stellen sich viele die Zukunft des Autos vor. Christian Mohrdieck, Chefforscher bei Daimler, hegt daran Zweifel. Er setzt auf Wasserstoff als weitere Alternative.

Wasserstofftankstelle in Baden-Württemberg. Emissionfrei ist Wasserstoff aber auch nur dann, wenn er mit Hilfe von regenerativen Energien hergestellt worden ist. Bild: dpa

taz: Herr Mohrdieck, die Entwickler von Elektroantrieben galten in der Autoindustrie lange als Öko-Freaks. Wird ihre Arbeit heute höher geschätzt?

Christian H. Mohrdieck: Durchaus. Viele haben sich früher gefragt, ob das was werden kann mit alternativen Antrieben. Heute sind die grünen Technologien eines der strategischen Standbeine von Daimler. Nur wenn man technologisch richtig aufgestellt ist, wird man die Zukunft der Mobilität gestalten können und so wird das Unternehmen auch in Zukunft Erfolg haben. Trotz aller Kürzungen, die gemacht werden müssen – in Zukunftstechnologien investieren wir unverändert viel.

Hinken Sie nicht hinterher? Mitsubishi bringt in diesem Jahr in Japan ein Elektroauto mit 160 Kilometer Reichweite auf den Markt, den i-MiEV.

Der 49-jährige Physiker leitet seit 2003 im baden-württembergischen Nabern den Bereich "Brennstoffzellen- und Batterie-Antriebsentwicklung" der Daimler AG. Früher baute der Rüstungskonzern MBB an dem Standort Teile von Lenkflugkörpern.

Ich glaube, man sollte einfach einmal richtig hinschauen. Wir haben seit zwei Jahren 100 Elektro-Smarts auf den Straßen.

Die ich noch nicht kaufen kann.

Bis wir 2012 in Serie gehen, starten wir bereits in diesem Jahr mit einer weiteren Kleinserie des E-Smarts. Wenn ich höre, dass ein Mitsubishi 34.000 Euro kosten wird, bin ich sehr gespannt, wie sich das am Markt realisieren lässt. Ich weiß zudem, was es heißt, eine leistungsfähige Lithium-Ionen-Batterie in Serie zu bringen. Wir haben seit diesem Monat mit dem S400 Hybrid das weltweit erste Hybrid-Fahrzeug mit einer solchen Batterie auf dem Markt.

Das immer noch doppelt so viel CO2 ausstößt wie die Hybrid-Konkurrenz von Toyota mit dem Prius.

Der Prius ist von den Dimensionen her auch nur ein Drittel Auto der S-Klasse. Die verbraucht 7,9 Liter, das ist Weltrekord in dieser Fahrzeug- und Leistungsklasse. Von zehn Liter kommend haben wir 17 Prozent reduziert. Wenn wir ein Auto der Prius-Größe mit Hybrid anbieten würden, würde es dort entsprechend aussehen.

Der Prius ist ein Verkaufsschlager in Japan. Warum haben sie nicht kleine Fahrzeuge als Hybrid angeboten?

Zunächst steckt im Prius eine Nickel-Metallhydrid-Batterie, die größer und schwerer ist als unsere. Wir müssen uns aber auch über europäisches Fahrverhalten im Klaren sein: Ein Hybrid macht vom Verbrauch her vor allem in der Stadt Sinn, wo sie viel anfahren und bremsen. Auf langen Strecken ist der Verbrauch sogar höher, weil sie mehr Komponenten an Bord haben. Wir haben uns allerdings lange die emotionale Komponente unterschätzt: Einen Hybrid zu fahren, gilt per se als grün und gut.

Wann wird es reine Elektrofahrzeuge geben, die mit Batteriestrom 500 Kilometer weit kommen und nicht das Dreifache eines herkömmlichen Autos kosten?

Mein Antwort ist aus heutiger Sicht schlichtweg: Nie. 500 Kilometer für ein vollwertiges Fahrzeug sind aufgrund der Naturgesetze ausgeschlossen. Da machen viele Ankündigungen, die sich das Periodensystem der Elemente einmal genauer anschauen sollten. Sie können sich ausrechnen, was die theoretisch beste Batterie ist. Das Limit liegt bei maximal einem Drittel Verbesserung im Vergleich zu heute, solange wir nicht ein völlig neuartiges Speicherprinzip für Elektrizität finden.

Das heißt, es ist Essig mit Batterie-Elektrofahrzeugen?

Nein, wir werden daraus ein sehr schönes Stadtfahrzeug machen können. Aber nicht jede Anwendung des Autos können wir damit abdecken.

Die Alternative wäre die Brennstoffzelle. Der VW-Forschungschef Jürgen Leohold sagte vor einem Jahr auf die Frage, wenn solche Fahrzeuge serienreif sind: Niemals.

Das sagt man höchstens dann, wenn man in einer Technologie nicht voll mit dabei ist. Schauen sie sich mal Toyota an: Die haben vor Kurzem dem amerikanischen Kongress angekündigt, dass bis zum Jahr 2015 eine Kommerzialisierung eines Brennstoffzellenfahrzeuges möglich sein wird. Der Meinung sind wir auch.

Das Massachusetts Institute of Technology hat untersucht, dass dies günstiger sein wird als ein Batteriefahrzeug, also etwa in der Preisklasse eines Hybrids. Außerdem lassen sich mit der Brennstoffzelle umweltfreundlich Fahrzeuge antreiben, bei denen das mit Batterie unmöglich wäre. So müsste man etwa an einen Bus einen LKW-großen Anhänger mit Batterien dranhängen.

Wer heute den Beschluss fasst, mit einer Technik alles erschlagen zu können, rennt in eine Sackgasse. Vergleichen Sie es mit den Dinosauriern, ihre einzige Entwicklung betraf die Größe. Dadurch sind sie ausgestorben. Wir brauchen mehrere Varianten, dann werden wir durch diese bewegten Zeiten kommen.

Gerade die deutsche Autoindustrie mit ihren großen Fahrzeugen pochte bei der EU auf höhere CO2-Emissionen. Müssen sie nicht so schnell wie möglich kleiner und leichter werden, um nicht selbst auszusterben?

Größer und kleiner ist kein Kriterium, sondern Verbrauch und Emission. Wir müssen auch leichter werden. Ohne Einbußen bei Komfort, Sicherheit, Qualität und Haltbarkeit.

Eine sinnvolle Vorgabe ist außerdem, den Wirkungsgrad für ein Fahrzeug vorzuschreiben. Also die Emission pro Gewicht. Wenn Sie den Wert bei Kleinwagen mit Fahrzeugen von Mercedes oder anderen Premiumherstellern vergleichen, sehen Sie, dass gerade auch bei kleinen Autos noch viel getan werden muss.

Ihre prototypische B-Klasse mit Brennstoffzelle fährt 400 Kilometer weit. Tanken kann ich dann allerdings nicht.

Die Probleme der Tank-Infrastruktur gibt es sowohl bei Batterie- als auch Wasserstoff-Fahrzeugen. Bei beiden ist der Betankungsvorgang immerhin bereits international standardisiert oder auf dem Weg dorthin: Wie sehen Tankstutzen und Zapfpistole beziehungsweise Stecker aus und so weiter. Die Kosten für die Infrastruktur liegen in einer ähnlichen Größenordnung.

Allerdings brauchen Sie beim Wasserstoff eine bestimmte Mindestzahl von Tankstellen, erst dann kann man sich sicher bewegen. Beim Strom kann ich zur Not an die Steckdose zuhause. Ich kann also den Ausbau proportional zu den Fahrzeugen machen und muss nicht zu Beginn die große Schwelle überspringen.

Wasserstoff würde ökologisch auch nur Sinn machen, wenn man ihn regenerativ erzeugt.

Das muss das Ziel sein. Selbst bei Wasserstoff aus Erdgas haben sie allerdings 25 bis 30 Prozent weniger CO2 als beim Benziner, von der Erzeugung und Verteilung des Treibstoffs bis zum Ausstoß am Fahrzeug. Besser als nichts. Der Wasserstoff, der als Beiprodukt vieler chemischer Prozesse anfällt, würde allein in Deutschland für fast eine Million Fahrzeuge reichen.

Wie viele Wasserstoff- und Elektrofahrzeuge werden wir im Jahr 2020 haben und wie viel fossil betriebene?

Elektrofahrzeuge über Batterie oder Brennstoffzelle im kleinen einstelligen Prozentbereich. Bei Hybriden wird es deutlich zweistellig sein. Außerdem lassen sich mit der Brennstoffzelle auf umweltfreundliche Weise Fahrzeuge antreiben, bei denen das mit Batterie unmöglich wäre.

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