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Vor 90 Jahren gegründetMein Bauhaus, dein Bauhaus

Die Schau "Modell Bauhaus" im Martin-Gropius-Bau in Berlin betont die Differenzen der Bauhaus-Anfänge zwischen Esoterik und Industrie und profitiert von der Ästhetik des Less-is-more

Die Ausstellung kann aus dem Vollen schöpfen. Rund 1.000 Exponate werden gezeigt, darunter all die bekannten Stil-Ikonen, die Stahlrohrfreischwinger und Bauhaus-Lampen. Bild: ap

Schon im Frühjahr hatte man in Weimar der Revolution vor 90 Jahren gedacht - der "Revolution des Designs" wohlgemerkt! "Das Bauhaus kommt aus Weimar", posaunte eine vielbesuchte Ausstellung in der Klassikerstadt. Doch jetzt setzt die deutsche Hauptstadt noch eins drauf. 90 Jahre nachdem Walter Gropius die Weimarer Kunstgewerbeschule mit der dortigen Kunsthochschule zum "Staatlichen Bauhaus" fusionierte, eröffnet im Berliner Martin-Gropius-Bau die große Jubiläumsausstellung "Modell Bauhaus". Erstmals haben dafür alle drei Bauhaus-Einrichtungen - die Stiftung Weimarer Klassik, das Bauhaus-Archiv Berlin und die Stiftung Bauhaus Dessau - zusammengearbeitet.

Die Ausstellung kann deshalb aus dem Vollen schöpfen. Rund 1.000 Exponate werden aufgeboten, darunter natürlich all die bekannten Stil-Ikonen, die Stahlrohrfreischwinger, Bauhaus-Lampen, die kubischen Architekturen und nicht zuletzt die Meister-Bilder von Kandinsky, Klee, Muche, Moholy-Nagy und wie sie alle heißen. Manches davon ist nur Rekonstruktion, vieles stammt von den Schülern aus dem Bauhaus-Unterricht und den Bauhaus-Werkstätten. Das Neue damals war ja gerade die Verbindung von Kunst und Design, Praxis und Theorie in der Ausbildung.

Die Vorbereitungen zur Ausstellung seien "extrem aufwendig" gewesen, bekennt Annemarie Jaeggi, Direktorin des Bauhaus-Archivs. Es sollte ja nicht wieder nur darum gehen, die Bestände der Institutionen vorzuführen. Ein "neuer Blick" aufs Bauhaus sei die Absicht.

Anfänglich beteiligte sich auch das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) an den regelmäßigen Treffen zur Vorbereitung der Ausstellung. Ins MoMA wandert ein Teil der Exponate im November. Das Museum wird dann aber unter Zuhilfenahme weiterer amerikanischer Sammlungen eine eigene Schau kreieren. Die Beteiligung des MoMA an der Berliner Schau, vor allem als Leihgeber, kommt nicht von ungefähr. Gründungsdirektor Alfred Barr besuchte in den Zwanzigern das Bauhaus und ließ sich hier für sein Museum neuen Typs inspirieren. Das MoMA ließ Gropius 1938/39 auch die erste Bauhaus-Retrospektive einrichten.

Das stärkte die damals schon weltweit bekannte Marke Bauhaus, obwohl oder gerade weil Gropius alles ausblendete, was nicht in sein glattgebügeltes Bild des Bauhauses passte. Das betrifft vor allem die expressionistische Frühzeit der Schule.

Hier setzt die Berliner Ausstellung mit ihren 18 Räumen nun ein. 1914 auf der Werkbundausstellung sei Gropius mit seiner Musterfabrik schon moderner gewesen als nach dem Ersten Weltkrieg, als er das mittelalterliche Ideal einer Bauhüttengemeinschaft zum Sinnbild des Bauhauses wählte. Wie bei den Kathedralen erklärte er den Bau zum "Endziel aller bildnerischen Tätigkeit", zu der alle gestalterischen Disziplinen beizutragen hätten. Geschickt nimmt die Ausstellung die Kathedrale als Metapher und spaltet das Bauhaus gleich zu Anfang in zwei gegensätzliche Positionen: Für die idealistische steht Johannes Ittens rekonstruierter "Turm des Feuers" von 1920, für die praktische Mies van der Rohes unrealisiertes Projekt für ein Glashochhaus in Stahlskelettbauweise von 1922.

Der Unterschied ist frappant: Bei Itten der ganz aus der Idee abgeleitete spiralförmige Turm mit seinen applizierten Glasfächern in Regenbogenfarben als Symbol des geistigen Aufstiegs, bei Mies die kristalline, aber doch zweckmäßige Konstruktion mit industriellen Mitteln: hier also der esoterische Lebens- und Bildungsreformer Itten mit selbstentworfener Bauhaustracht und kahlrasiertem Schädel, dort ein Architekt, dem es um die Verbindung von Schönheit mit den Möglichkeiten der modernen Technik ging. Schon 1922 schwenkte Gropius auf die sachlich-funktionalistische Seite ein.

In den ersten acht Räumen der Ausstellung wird diese Wandlung nachvollzogen. Zum "neuen Blick" auf das Weimarer Bauhaus gehören bislang kaum bekannte Objekte wie ein figürlich bemalter Sargdeckel des Bauhaus-Meisters Lothar Schreyer oder Gropius Entwurf für eine Erinnerungstafel an die Verabschiedung der Weimarer Verfassung. Das Weimarer Kapitel in der Schau endet mit der Bauhausausstellung von 1923, einer Art Leistungsschau, bei der die Regelung der modernen Lebensverhältnisse mittels gut gestalteter Produkte in den Mittelpunkt rückt. "Die neue Einheit Kunst und Industrie" hieß das Motto, realisiert wurde es etwa im Entwurf eines typisierten, normierten Versuchshauses in Weimar.

Vieles am Weimarer Bauhaus war - bis zur Vertreibung 1925 durch die politische Rechte - noch ein Suchen und Probieren. Die eher kleinteilige Vielfalt als Abbild der Weimarer Verhältnisse in der Ausstellung wandelt sich im Dessauer Teil zur aufgeräumten Sachlichkeit. In erster Linie tragen die Exponate selbst dazu bei, denn deren Inszenierung ist eher zurückhaltend, vieles steckt hier in einer Art Regalwand.

Wie ein Emblem für das Dessauer Bauhaus steht Gropius Schulgebäude von 1926. Zur neuen Sicht aufs Bauhaus gehört auch die Widerlegung des Eindrucks, der sogenannte Bauhaus-Stil wäre ohne Farbe ausgekommen. Doch die schwarzweißen Fotos von damals konntenFarbe einfach nicht wiedergeben, anders als die jetzt vorgeführten Planzeichnungen des Bauhausgebäudes von Hinnerk Scheper. Das Bauhaus war - zumindest innen - an Wand und Boden durchaus bunt.

Die neu entdeckte Farbe

Das neu entdeckte Bunte des Bauhauses hat auch als Ordnungsprinzip ins Ausstellungsdesign Eingang gefunden. Die Adaptation von Ittens Farbkreis macht zwar praktisch wenig Sinn, dafür trifft das Regenbogenprinzip den gegenwärtigen Umgang mit dem Bauhaus auf der symbolischen Ebene. Der Zeitgeist liebt das Bunte, Vielfältige, ja Multikulturelle am Bauhaus, wie auch beim Blick auf die Themen des umfangreichen Rahmenprogramms der Ausstellung feststellbar ist. Ittens buntes Spektrum gliedert die chronologisch angelegte Raumfolge von Gelb bis zum tief-metaphorischen Schwarz, womit dann das Ende des Bauhauses in Berlin untermalt wird.

Doch zuvor wird noch einmal Mies van der Rohe, der letzte Direktor, in Szene gesetzt. Mit Spiegeln und Makassar-Holz an den Wänden bekommt Mies hier ein sehr stylishes Ambiente zu seinen Möbeln, Modellen und den Schülerarbeiten. Offenbar funktioniert die Gleichung, mit wenigen Mitteln viel Effekt zu erreichen, mit der Miesschen Ästhetik am besten.

Mies liefert in dieser Ausstellung gleichsam die Klammer, den Anfang und das Ende, und scheint damit bei all den vielen, teils sich auf das Heftigste bekämpfenden Strömungen am Bauhaus als eigentlicher Sieger vom Platz zu gehen. Das Bauhaus hat ja bis heute weder in der Pädagogik noch im Städtebau, sondern vor allem mit "Klassikern" des Produktdesigns überlebt, also als Konsumware. Mies Sessel sind noch heute der Hit, allerdings nur für wenige erschwinglich - wie schon in den 20ern.

"Do it yourself"

Im zentralen Lichthof des Ausstellungshauses liefert Christine Hill vielleicht auch deshalb in ihrer "Volksboutique" Anregungen zu einem eine "Do-it-yourself-Bauhaus". Sie zeigt eine Zimmereinrichtung von Ikea und einen Werkzeugkasten der Baumarktkette "Bauhaus". Wahrscheinlich liegt sie damit vom Anliegen des zweiten Bauhaus-Direktors Hannes Meyer gar nicht so weit entfernt. "Volksbedarf statt Luxusbedarf" hieß seinerzeit Meyers sozialistisch angehauchtes Motto.

Die Expertenmeinungen derzeit angesagter Architekten, Designer und Künstler zum Bauhaus, die im Lichthof als Videoloop über die Bildschirme flimmern, sind nicht auf einen Nennen zu bringen. Dafür darf der müde Besucher hier buchstäblich Position beziehen. Bereitliegende Sitzkissen tragen die Schlagworte der Experten: "idealistisch", "dogmatic", "ambigious" oder "cool" stehen etwa zur Wahl.

Das Bauhaus war viele, so lautet die Botschaft dieser Ausstellung. Jeder darf sich an der ausgebreiteten Vielfalt bedienen. Nur wirklich gesellschaftlich relevant ist das Bauhaus heute nicht mehr. Es ist historisch geworden, eine Erinnerung daran, was einmal in Deutschland an Experiment und Innovation möglich war.

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