HRE Aktionärstreffen: Der allerbeste Bösewicht

Am Donnerstag wird er wieder die Skandalfigur sein: Der frühere Chef der Hypo Real Estate, Georg Funke, gilt als Sündenbock für die 87 Milliarden teure Beinahe-Pleite. Der Rest macht einfach weiter.

Entlastet werden soll der Vorstand - nicht Georg Funke. Bild: ap

Georg Funke braucht gar nicht zu kommen. Seine Nachfolger haben auch so schon penibel dafür gesorgt, dass er wieder völlig dämlich aussehen wird auf der Hauptversammlung der Hypo Real Estate in München. Deshalb haben sie in die Tagesordnung unter Punkt 2 die Frage geschrieben, ob Georg Funkes Maßnahmen zur Rettung der eigenen Bank überhaupt "angemessen" waren. Punkt 3: Entlastung des Vorstands. Nicht entlastet wird: Georg Funke.

Am Donnerstag treffen sich die verbliebenen Aktionäre der Untergangsbank, die im September nur Sekunden vor der Pleite stand, 87 Milliarden Euro an staatlichen Beihilfen brauchte und nun vom Bund übernommen wird. Funke war Vorstandschef, als der HRE das Geld ausging.

Im Oktober wurde er entlassen. Doch Fehler räumt er bis heute nicht ein. Es sei nicht in Ordnung, ihn zum Sündenbock zu machen, ließ er über seinen Anwalt ausrichten und klagte selbstbewusst auf Weiterzahlung seines Gehalts. 3,5 Millionen will er noch. Es hagelte böse Zeitungskommentare und empörte Politikerstatements.

"Er war schon in der Medienfalle, bevor er es überhaupt gewusst hat. Er kommt da auch nicht mehr raus", sagt Ralf-Dieter Brunowsky, PR-Berater und Koautor des Führungskräfteratgebers "Manager in der Medienfalle". Statt abzutauchen hätte Funke die Öffentlichkeit suchen und alles auf den Tisch legen sollen, meint Brunowsky. Doch ausgerechnet in der Öffentlichkeit fühlte sich Funke nie sehr wohl.

Mit dem Oberlippenbartschatten und seinen großen Ohren wirkte er fremd in der Welt der eitlen, gebräunten und gefönten Spitzenbanker. In seinem Englisch schwingt ein harter deutscher Akzent mit, eine Eliteuni hat er nie besucht. Funke machte eine Lehre als Immobilienkaufmann in Essen und studierte Betriebswirtschaft nebenher. Als er nach fast 20 Jahren bei der Hypo-Bank zum Vorstandschef der frisch abgespaltenen HRE wurde, kannte ihn niemand.

"Stiller Strippenzieher", überschrieb die Financial Times Deutschland ehrfürchtig ein Funke-Porträt und bejubelte seinen Coup: Im Sommer 2007 fusionierte er gerade die HRE mit der irischen Depfa Bank.

Funkes Geschäftsmodell für die neue Tochterfirma bestand darin, langfristige Anleihen zu vertreiben und sie mit kurzfristigen Krediten zu bedienen. Als die Finanzmärkte boomten, brachte das Milliarden. Doch es machte die Bank anfällig. "Eigentlich lernt man schon im ersten Semester Betriebswirtschaft oder in der Banklehre, dass man das nicht macht", sagt Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.

"Das Scheitern seiner Strategie begann sich schon 2007 abzuzeichnen." Da brach in den USA die Hypothekenkrise aus. Funke erklärte, seine Bank sei aus der Marktkrise "verstärkt hervorgegangen". Erst im Januar 2008 gab er kleinlaut zu, dass man wegen der Finanzkrise 390 Millionen Euro abschreiben musste.

Aktionärsschützer forderten auf der damaligen HRE-Hauptversammlung, Funke nicht zu entlasten. Doch 95 Prozent der Anleger sprachen ihm das Vertrauen aus. "Georg Funke ist glänzend in der Überzeugung. Er hat die Kraft, die Leute rumzukriegen", sagt die damals unterlegene Daniela Bergdolt. Dazu trage sein unscheinbares Auftreten bei. "Er sieht so normal aus. Man glaubt nicht, dass er etwas Unredliches tun könnte."

Das änderte sich vergangenen September. Damals standen die HRE und mit ihr das Finanzsystem vor dem Kollaps. Die Spitzen der deutschen Finanzwelt berieten in Frankfurt hitzig über eine Rettung. Anfangs sollten der HRE 15 Milliarden Euro an Hilfen reichen, nach wenigen Stunden musste Funke zugeben, seine Bank brauche 35 Milliarden. "Wir hatten kein Vertrauen mehr", erinnerte sich Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann vor Kurzem im Bundestagsuntersuchungsausschuss. Bemerkenswert, denn eigentlich ist ja Ackermann der Bankenbösewicht Nummer eins. Mit Funke gibt es einen, auf den sogar Ackermann mit dem Finger zeigen kann.

"Über den Sündenbock, gegen den man sich gemeinsam empören kann, wird die moralische Einheit des Ganzen beschworen", schrieb der 2007 verstorbene Soziologe Karl Otto Hondrich in seinem Buch "Enthüllung und Entrüstung". Öffentliche Empörung und Skandalfiguren seien unverzichtbar, konstatierte er: Sie stabilisierten das System, gerade in dynamischen, ungewissen Situationen. Nichts bringt mehr Vertrauen in die Wirtschaft zurück als das Wissen, dass es da einen einzelnen, unbeholfenen Schuldigen gibt. Einen, der alles verbockt hat. Funke.

Die anderen scheffeln schon wieder.

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