Kolumne Konversation: Das Ego-Phone

Männer haben durch die Erfindung des iPhones den Umgang mit Handys gelernt. Von Kommunikationsmuffeln sind sie zu Nervensägen geworden.

Früher war Hilde stets frustriert, wenn Männer, mit denen sie sich traf, hinterher nicht anriefen. Wir rätselten über die Gründe, an ihr schließlich konnte es nicht liegen. Männer, so immer wieder unser Schluss, hatten die Erfindung des Telefons nur passiv mitbekommen. Sie wussten, dass es so ein Ding gab, konnten sich aber wirklich mit der Funktion nicht vertraut machen. Wie gesagt, so dachten wir in den 90ern.

Neulich dann kam Hildes Erweckungserlebnis. Es ging um Tim, den Bekannten eines Bekannten. Sie hatten nach einem Abendessen E-Mail-Adressen ausgetauscht, und keine drei Stunden fragte er per Mail, ob sie ein Bier am nächsten Donnerstag trinken sollten. "Gesendet von meinem iPhone", stand darunter. Wir fanden das unwichtig, hätten es jedoch im Jahr drei dieses Telefons besser wissen müssen. Durch das iPhone nämlich sind die Männer endgültig aus ihrer Kommunikationsblase herausgetreten. Heute gehen sie ohne ihr omnipotentes Gerät nirgendwo mehr hin und erliegen nicht selten einem wahren Applikationsrausch.

Aus dem gemeinsamen Bier der beiden wurde ein Essen im türkischen Restaurant, nicht weil Hilde amourös motiviert war, sondern einfach wirklich hungrig. Tim hatte das vielleicht missverstanden oder sich schöngeredet. "Schlaf gut!", stand in der Mail, die sie las. "Guten Morgen!" in der, die am nächsten Tag um 8.43 Uhr ankam. Hilde antwortete sogar. Kurz und unverbindlich. Es folgten noch drei weitere Mails, und als sie darauf nicht reagierte, eine SMS mit der Frage nach der allgemeinen Befindlichkeit.

In der iPhone-Kommunikation stellt die SMS, genau wie das persönliche Telefonat, eine Eskalation der Ereignisse dar. Schließlich bietet der gängige Vertrag zum iPhone eine Datenflatrate an, keine aber für Gespräche und Kurzmitteilungen. Hilde und ich wussten das leider nicht. Ein wenig komisch kam uns dieser Fleiß in der Kommunikation zwar vor, ein Knock-out-Kriterium wollte sie daraus nicht machen. Sie war bis jetzt weder besonders heiß auf ihn -noch genervt. Noch nicht. Sie simste fröhlich zurück. Und bekam sofort wieder eine Mail geschickt, die sie aber weder am Abend noch während der Nacht (das möge man sich vorstellen!) las und auch nicht am nächsten Tag, an dem sie in der Natur unterwegs war. Ohne Handy. Darauf lagerte bei ihrer Rückkehr eine weitere SMS: "Ich scheine dich ja nicht sonderlich zu interessieren", hielt der schnell entflammbare Tim ihr vor. Der unserer Meinung nach einen Hau weghatte und einfach zu viel Zeit für seine Mails.

Den Blick durch Hildes Erfahrung geschärft, fielen mir auf einem Mal diese Horden von Männern auf, die in der U-Bahn an ihren iPhones rumfingerten, im Café irgendetwas auf ihren Mini-Bildschirmen zu vergleichen schienen, auf dem Spielplatz saßen und nach Hausmitteln gegen Wespenstiche googelten, weil gerade ein schreiendes Kind vor ihnen stand. Einige wenige Frauen mit iPhone fielen mir zwar auch auf, die sprachen dann aber meist tatsächlich ins Gerät.

Hilde wartete einen Tag und schrieb dann eine unmissverständliche Mail. Irgendwas in der Art, dass sie Tim noch ein schönes Leben wünsche. "Bei diesen übergriffigen Typen mit iPhone", meinte sie, "muss man höllisch aufpassen." Jemand, so fanden wir, sollte eine Applikation entwerfen, die Männern nur eine E-Mail am Tag erlaubte. Vielleicht, dachten wir, lernen sie dadurch, wie vernünftige Menschen zu telefonieren. Mehr Kommunikation nämlich ist nicht gleich bessere.

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