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Ars Electronica 2009Die Menschenpflanze

Die Maschine, der Roboter, der Baum und ich: Die Ars Electronica in Linz befragt mit Hilfe der Kunst, was neues Wissen über den Menschen und die Natur bedeutet.

Kac setzte ein eigenes Gen der DNA einer Petunie ein. Ein Protein lässt der Blume "Adern" wachsen. Bild: eduardo kac

Der Kulturbürger, der an Linz als Kulturhauptstadt 2009 denkt, stellt sich vermutlich tolle Opern, aufwändige Theaterinszenierungen oder gediegene Lesungen vor. Die Realität sah dieser Tage so aus: Nach einem Spaziergang zwischen genmanipulierten Pflanzen und vakuumverpackten Menschen lässt man seine Haut von einem freundlichen jungen Mann aus England zu einem Elektrizitätsleiter umfunktionieren, um ein paar wohlklingende Töne darüber erklingen zu lassen. Ein paar Meter weiter kann man amüsiert über das erste umweltfreundliche Sextoy staunen und sich dann auf ein nettes Gespräch mit dem menschengleichen Roboter Geminoid HI-1 einlassen.

Dreißig Jahre ist es her, dass Linz die erste Ars Electronica als Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft empfing. Passend zum diesjährigen Thema "Human Nature" lädt das neue Center am Donauufer ein, die facettenreiche Natur des Menschen zu erkunden. Im Jahr 2000 wurde durch die vollständige Entzifferung des menschlichen Genoms ein neues Zeitalter eingeläutet. Mit den Worten des Nobelpreisträgers Paul Crutzen gesprochen: das Anthropozän. Bezeichnet wird damit ein Erdzeitalter, in dem sich der Mensch zunehmend als Schöpfer einer neuen Natur stilisiert und damit massiv in die Natur (inklusive seine eigene!) eingreift, noch bevor er diese wirklich begriffen hat.

Der Gedanke, dass der Mensch sich zunächst an der eigenen Nase fassen sollte, bevor er seinen Größenwahn auslebt, treibt in gewisser Weise auch Hiroshi Ishiguros Projekt Geminoid an: "Mein Ziel ist es, durch Geminoid besser zu verstehen, was menschlich ist. Nicht einen Menschen zu schaffen!" Als Roboterzwilling des Professors der Universität Osaka ist Geminoid HI-1 seinem menschlichen Vorbild nicht nur ähnlich, sondern verhält sich auch fast wie ein Mensch. Ein Kind, das ihn in seine lebensechte Silikonbacke kneifen will, wird mit einem knurrenden "Lass das bitte!" schnell in seine Schranken gewiesen, wohingegen der charmante Roboter die junge Frau im leuchtenden Pulli mit Komplimenten zu ihrer Garderobe überschüttet. Natürlich kann Geminoid noch nicht wirklich selbstständig sprechen. Er wird durch einen Menschen, der ihn aus dem Rückhalt bedient, quasi ferngesprochen.

Auf seiner Suche nach der Natur des Menschen anhand des künstlichen Ebenbildes bleiben für den Wissenschaftler noch viele Fragen unergründet: Was macht menschliche Präsenz aus? Wodurch ist das Ego, der Geist eines Menschen zu erfassen? Wie steht es im Zeitalter der Neurowissenschaften und der Gentechnologien um die klassische Trennung von Körper und Geist? Kurz, wie viel Maschine findet sich in einem Menschen und umgekehrt? Inwieweit die Lösung dieser Fragen durch die Projektion von Menschlichkeit auf einen Roboter zu ergründen ist, bleibt unklar.

Wie viel Mensch in einer Petunie steckt, kann dafür aber bereits in diesem Jahr geklärt werden. Mit seinem neuesten Kunstwerk "Natural History of the Enigma" radikalisiert Kac seine bisherigen transgenen Experimente und präsentiert ein Hybridwesen zwischen Mensch (Eduardo) und Petunie: die Edunia. Kac entnahm hierfür ein Gen aus seiner DNA und setzte es der DNA der Petunie ein. Hierdurch wurde wiederum ein Protein freigesetzt, das auf den rosafarbenen Blättern der Petunie blutrote "Adern" erzeugte. Für Kac ist diese Verfärbung sinnbildlich dafür, dass "menschliches Blut durch die Venen der Blume strömt".

Urvater der Biokunst

Als einer der Urväter der noch jungen Biokunst schockiert Kac seit Jahrzehnten mit gewöhnungsbedürftigen Projekten. Im Jahr 2000 beispielsweise entsprang Kacs wundersamem Künstlerlaboratorium das "GFP Bunny" mit dem Namen Alba. Der Künstler implantierte dabei einem gewöhnlichen Hasen das grün fluoreszierende GFP-Gen einer Qualle, was zur Folge hatte, dass Alba unter blauem Licht grün leuchtete. Kac sieht es als Pflicht des Künstlers an, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu reflektieren und durch die Kunst für jedermann zugänglich zu machen. Mit den ethischen Fragen, die im Genetik-Diskurs aufkommen, möchte Kac deshalb auch nicht assoziiert werden. Nicht als Positionierung in Bezug auf Wertesysteme, sondern als Poesie des neuen Zeitalters möchte er sein Werk verstanden wissen. Kac fordert: "Der Künstler soll einen Baum schaffen, so wie die Natur ein Gedicht schreibt."

In den Räumen des OK - Offenes Kunsthaus Oberösterreich - findet sich die Realisierung dieses Baum-Gedichts. Thomas Traxler von mischertraxler erklärt das Kunstwerk: "An einem Baum lassen sich die Umweltbedingungen, denen er ausgesetzt war, ablesen, wohingegen Maschinen den Einflüssen ihrer Außenwelt gegenüber immun sind." Bis jetzt. Das Künstlerduo erschuf eine Maschine, die mit Hilfe eines Solardetektors die natürliche Fähigkeit der Reaktion auf klimatische Umstände mit maschineller Berechenbarkeit verknüpft. Die Ergebnisse des poetischen Techno-Baumes haben der Natur in ihrer Schönheit auch wirklich nichts zu neiden: Jeden Tag produziert er eine Frucht, indem Fäden gefärbt, geleimt und auf einen Zylinder gewickelt werden. Je nach Sonnenintensität ändert sich die Leuchtkraft der Farbe und die Wandstärke des gewickelten Objekts.

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