Ad-Hoc-Koalitionen: Alles außer Sansibar

Bei der letzten Landtagssitzung vor der Wahl in Schleswig-Holstein ist alles möglich. Die momentan allein regierende CDU bleibt in wichtigen Fragen außen vor.

Im Kieler Plenarsaal geht es ab heute rund: Die Mehrheiten werden die Richtung wechseln. Bild: dpa

Was ist schon Jamaika? In der letzten Landtagssitzung in Schleswig-Holstein vor der Wahl entstehen noch ganz andere Farbkombinationen: "Südafrika - Zustimmung von allen Fraktionen - haben wir mehrfach, Jamaika einmal", sagt Grünen-Fraktionschef Karl-Martin Hentschel. "Nur Sansibar, also blau-schwarz-grün, kommt nicht vor." Ampeln gibt es ebenfalls, in den beiden Varianten "klassisch" und "dänisch" - wenn SPD, Grüne und die Minderheitenpartei SSW gemeinsam abstimmen. Möglich sind die neuen Farbenspiele, da in dieser Sitzung kein Koalitionszwang gilt und die Regierungspartei CDU keine Mehrheit hat. Die liegt bei SPD, Grünen und SSW: Sie wollen noch ein paar Weichen stellen.

"Nachdem die Koalition beendet ist, können wir jetzt das tun, was wir schon immer für richtig hielten", freut sich SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. Die Themenpalette ist groß: Es geht um ein Verbot von CO2-Speicherung im Untergrund, um den Alt-Atommeiler Krümmel, um die Schuldenbremse im Haushalt und um die Abschaffung der Direktwahl von Landräten. Ein Tariftreuegesetz will der Landtag ebenso beschließen wie eine Änderung der Flüchtlingspolitik.

Die "Dänenampel" nutzt ihren Ein-Stimmen-Vorsprung, um der nächsten Landesregierung ein Energiekonzept mit auf den Weg zu geben, nach dem Schleswig-Holstein im Jahr 2015 seinen gesamten Strombedarf aus erneuerbarer Energie erzeugen solle und in den Folgejahren anfangen, Ökoenergie zu exportieren. Außerdem soll es Verhandlungen mit dem Energiekonzern Vattenfall über die Abschaltung des Alt-Atommeilers Krümmel geben. "Mal sehen, was Schwarz-Gelb bei diesem Punkt macht", sagt Hentschel - die FDP bekennt sich in ihrem Programm zum Atomkonsens und zum vorzeitigen Aus für unsichere Kraftwerke. Doch auch bei der knappen Mehrheit gelte: "Beschluss ist Beschluss", sagt Petra Bräutigam, Sprecherin der SPD-Fraktion. "Daran muss sich eine Regierung halten."

Noch nie waren so viele Schleswig-Holsteiner wahlberechtigt wie zur Landtagswahl am 27. September.

Rund 2,225 Millionen Menschen können in den 40 Wahlkreisen zur Urne gehen - das sind knapp 39.000 mehr als 2005.

Die Zahl der Erstwähler fällt allerdings wegen der vorgezogenen Landtagswahl von rund 135.000 auf etwa 131.000.

Für die CDU ist der wichtigste Punkt die Schuldenbremse. Es geht um eine Klage des Landes vor dem Verfassungsgericht gegen das Verbot der Neuverschuldung im Grundgesetz. Im Vorfeld zeichnet sich dafür eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen ab - die CDU ist dagegen, obwohl der Antrag ursprünglich auf den Landtagspräsidenten Martin Kayenburg (CDU) zurückgeht. Beraten wird der Landtag außerdem über die Ergebnisse des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur HSH Nordbank. Die Parteien ziehen konträre Schlüsse aus den bisherigen Sitzungen: Die CDU sieht einen Großteil der Schuld an der Krise der Landesbank bei der rot-grünen Vorgängerregierung - für die SPD scheint klar, dass die Hauptfehler ab 2005, unter CDU-Finanzminister Rainer Wiegard, passiert sind.

Das Spiel der wechselnden Mehrheiten scheint allen Beteiligten Spaß gemacht zu haben: "Es war vielseitiger", heißt es aus der CDU-Fraktion, und Hentschel stellt fest: "Der Landtag kann und will gestalten." Da die Mehrheiten aber so knapp sind, vor allem bei der "Dänenampel", darf in den nächsten Tagen kein Abgeordneter fehlen. SPD-Sprecherin Petra Bräutigam beruhigt: "Alle gesund, keiner in Urlaub."

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