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Interview mit Berlins SPD-Chef"Wir müssen weiter investieren"

Um die Kosten der Krise zu begleichen, sollten die Steuern für Gutverdienende erhöht werden, findet SPD-Landesvorsitzender Michael Müller

"Die SPD will die Steuern für Geringverdiener senken und sie für Gutverdiener erhöhen": Michael Müller Bild: dpa
Interview von Sebastian Heiser

taz: Herr Müller, Sie betreiben mit Ihrem Vater zusammen eine kleine Druckerei. Wie laufen die Geschäfte in der Krise?

Michael Müller: Nicht gut. Wir machen ja gerade für Privatleute viel Briefpapier, Geburtsanzeigen, Hochzeitsanzeigen. Und das spüren wir schon, wenn die Leute da sparen.

Sie haben sich letztens mit Vertretern von Handwerksbetrieben getroffen. Wie geht es der Branche?

Gemischt. Einige profitieren durch die Sanierungen etwa an den Schulen und Kitas, die durch die Konjunkturpakete angestoßen wurden. Anderen geht es schlecht, bei denen schlägt die Krise voll durch. Wir müssen uns darum kümmern, dass bei der Verwaltung insbesondere die Vergabe und Abwicklung von öffentlichen Aufträgen schneller geht. Das ist eine Hauptaufgabe.

Wie kann die Politik die Wirtschaft weiter stimulieren?

Wir müssen weiter investieren und dürfen auch in Zeiten knapper Kassen die Etats nicht zurückfahren. Das ist auch aktive Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Das wird von den Unternehmen honoriert. Es war gut, wie unbürokratisch und schnell sich die Politik engagiert hat und ungeheure Summen mit dem Konjunkturpaket II innerhalb weniger Tage frei gemacht hat.

Wer soll das am Ende bezahlen?

Wir alle. Das Retten von hunderttausenden Arbeitsplätzen hat Steuergeld gekostet, und dafür kommen wir alle auf. Aber man muss schon genau schauen, wie man die Lasten verteilt. Die SPD will die Steuern für Geringverdiener senken und sie für Gutverdiener erhöhen. Die Starken sollen sich also mehr beteiligen als die Schwachen.

Frank-Walter Steinmeier will 2 Millionen Jobs in der Industrie schaffen. Kann das in Berlin klappen?

Berlin ist ein Sonderfall. Hier sind in der Industrie seit der Wende fast 300.000 Arbeitsplätze verloren gegangen, die sind nicht so leicht wiederzubeschaffen. Für uns besonders interessant ist aber der Bereich Gesundheitswirtschaft. Auch dort soll ja eine Million Arbeitsplätze bundesweit entstehen und wir sind schon jetzt sehr stark mit Berlin-Chemie, Schering und vielen kleineren Unternehmen. Da können wir noch große Schritte nach vorn machen.

Auch in der Kreativwirtschaft sollen neue Jobs entstehen - die sind aber schlecht bezahlt.

Wir sind für einen flächendeckenden Mindestlohn von 7,50 Euro. Mit der CDU ist das leider nicht durchsetzbar. Dabei ist es dramatisch, was gerade viele Frauen etwa in Pflegeberufen oder im Einzelhandel verdienen.

Warum nimmt das Land nicht durch seine Aufträge an die Wirtschaft mehr Einfluss?

Wir arbeiten gerade an einem neuen Vergabegesetz, mit dem wir bei den Aufträgen des Landes einen Mindestlohn von 7,50 Euro vorschreiben werden.

Das soll schon seit einem Jahr vorliegen.

Durch das Scheitern des ersten Anlaufs vor dem europäischen Gerichtshof war die Wirtschaftsverwaltung unsicher, wie man das nun am besten formuliert. Es wäre schön gewesen, wenn das etwas schneller gegangen wäre. Aber wenn man das Thema ernst nimmt, dann muss man das seriös und gerichtsfest machen. Inzwischen ist der Gesetzentwurf so gut wie fertig.

Die SPD will Mittelstandspolitik in Zukunft beim Regierungschef ansiedeln. Sollte das auch für Berlin gelten?

Wir haben für die Wirtschaft ein eigenes Ressort, zusammen mit Frauen und Technologie. Aber alle wissen auch, dass sich Klaus Wowereit ganz besonders engagiert, etwa mit dem runden Tisch Tourismus und in den Industriegesprächen, die er eingerichtet hat. Und das macht er auch im Aufsichtsrat des Flughafens in Schönefeld, wo es um 40.000 Arbeitsplätze geht. Der Regierende Bürgermeister ist da schon mittendrin, und es gibt eine gute Arbeitsteilung zwischen den täglichen Angelegenheiten, die Wirtschaftssenator Harald Wolf abarbeitet, und den wichtigen politischen Weichenstellungen, die von Klaus Wowereit kommen.

Umweltsenatorin Katrin Lompscher arbeitet gerade an einem Gesetz, das viele Hausbesitzer verpflichten soll, ihre Gebäude klimaschutzfreundlich umzurüsten. Die Wirtschaft ist gegen jede Pflicht.

Wenn man beim Klimaschutz einen großen Schritt vorankommen will, dann können wir nicht alle so weitermachen wie bisher. Es muss also etwas Verpflichtendes sein, aber da muss man genauer hinschauen, wen man wie stark belastet. Es kann nicht sein, dass man 10 Prozent Energie einspart, aber dafür 30 Prozent mehr Miete zahlen muss. Wir werden in den Beratungen des Gesetzes für die Mieter und die Wirtschaft einen vernünftigen Ausgleich finden.

Sollen die Vorgaben auch eins zu eins für die Gebäude des Landes gelten?

Das muss das Ziel sein. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Fristen für die öffentliche Hand etwas länger laufen. Denn keiner hat so einen großen Gebäudebestand. Das können wir nicht innerhalb von wenigen Jahren sanieren. Das ist eine Investitionssumme, die wir schlichtweg im Haushalt nicht haben. Vor allem, wenn wir den Umbau von Privaten und der Wirtschaft auch noch finanziell fördern. Dafür bliebe dann weniger Geld. Vieles hat das Land auch schon gemacht, etwa mit dem Konjunkturpaket II oder der ökologischen Bädersanierung.

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