Kommentar Ramelows Verzicht: Zu klug für Thüringen?

Es gibt zwei Möglichkeiten in Thüringen. Entweder Rot-Rot-Grün einigt sich auf einen Dritten - oder eine Dritte. Bodo Ramelow hat das begriffen.

Die Lage in Thüringen ist vertrackt. Vieles spricht für eine rot-rote oder rot-rot-grüne Regierung. Denn diese drei Parteien wollen im Kern das Gleiche: mehr egalitäre Bildung und mehr Ökoenergie.

Außerdem täte es Thüringen gut, wenn der CDU-Filz ein paar Löcher bekäme. Doch SPD und Grüne wollen, obwohl viel schwächer als die Linkspartei, Bodo Ramelow partout nicht zum Ministerpräsidenten wählen. Einleuchtend ist das nicht - aber so ist es eben.

Weil somit alles auf eine Koalition von SPD und CDU hinausläuft, hat Ramelow einen mutigen, richtigen Schritt getan. Falls sich Rot-Rot-Grün auf eine Kandidatin einigt, will er auf den Job des Ministerpräsidenten verzichten. Das ist eine originelle, souveräne Geste, die mit den üblichen Regeln der Machtpolitik bricht.

Dass immer die stärkere Partei den Ministerpräsidenten stellt, ist eine bundesdeutsche Sitte, kein Gesetz. Doch was passiert, wenn ein deutscher Politiker eine ungewöhnliche Idee hat? Die Polittaktierer schütteln den Kopf, die Bedenkenträger formieren sich, und alle nehmen übel.

Die SPD in Erfurt beharrt weiter darauf, dass nur Christoph Matschie Ministerpräsident werden darf. Die Grünen, denen Ramelow ein Dutzend rote Teppiche ausgerollt hat, bleiben zögerlich. Besonders beleidigt ist allerdings die Linkspartei selbst. Die Idee, freiwillig auf Macht zu verzichten, scheint Gysi, Lafontaine und vor allem dem Landesverband absurd. Dabei ist sie nur realistisch.

In Thüringen gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder Rot-Rot-Grün einigt sich auf einen Dritten - oder eine Dritte. Wer dabei formal das Recht hat, den Ministerpräsidenten vorzuschlagen, ist im Grunde egal. Denn nur ein von allen akzeptierter Konsenskandidat wird gewählt. Misslingt dies, wird in Erfurt weiter die CDU regieren.

Ramelow hat die Logik der Lage begriffen. Doch offenbar ist er klüger, als es die Linkspartei erlaubt.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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