Wladimir Klitschko über den Boxsport: "Ich habe immer alles nachgemacht"

Wir verlieren zusammen, und wir gewinnen zusammen, sagt Wladimir Klitschko. Wenn am Samstag sein älterer Bruder Vitali gegen Chris Arreola kämpft, sitzt er mit am Ring.

Schwergewichtsweltmeister Vitali Klitschko (l) und sein Bruder Wladimir Klitschko (r). Bild: dpa

taz: Herr Klitschko, bekämen Sie Angst, wenn kurz vor dem ersten Gong zwei Typen wie Sie und Ihr Bruder Vitali Seite an Seite vor Ihnen stehen würden?

Wladimir Klitschko: Das würde irgendwie stören, denke ich mal.

Wie geht es Ihnen während eines Kampfs von Vitali, wenn Sie in der Ecke sitzen?

Ich hasse das. Ich mag es gar nicht, weil ich nichts tun kann.

Wie wichtig ist es, wenn der Bruder in der Ecke sitzt?

Ich weiß, dass Vitali ohne mich genauso gut boxen würde - und umgekehrt. Aber es gibt mir schon ein gewisses Gefühl, wenn der Bruder da ist. Ich glaube nicht, dass es ein Vorteil im Kampf ist, aber es ist schön. Ich kenne es ja auch nicht anders. Ich bin auf die Welt gekommen, und Vitali war schon da.

In Los Angeles hat Vitali gegen Lennox Lewis seinen wohl blutigsten Kampf gemacht. Haben Sie Sorge, dass so etwas wieder passieren könnte?

Das ist keine Comedy-Veranstaltung, das ist ein ernster Sport. Natürlich bin ich nervös. Ich bin froh, wenn der Kampf vorbei ist, wir gewonnen haben und Vitali heil und gesund ist.

"Wir" haben gewonnen?

Ja, hundert Prozent. Wir verlieren zusammen, und wir gewinnen zusammen. Wir teilen das. Es freut mich sogar mehr, wenn Vitali gewinnt. Wenn ich selbst gekämpft habe, bin ich auch zwei Wochen später noch in einer Art Tunnel, kann nur schwer wieder ins normale Leben zurückkommen. Wenn Vitali kämpft, kriege ich alles viel intensiver mit.

Was für einen Kampf erwarten Sie zwischen Vitali und Chris Arreola?

Das wird schwierig. Der Gegner ist sehr selbstbewusst, der wird nicht aufgeben. Der wird das durchziehen. Er hat keine Verteidigung, marschiert immer nach vorn und will den Knockout. Der Kampf wird nicht lange dauern. Ich bin überzeugt, dass Vitali gewinnt - mit einem K. o.

Sie sind fünf Jahre jünger als Vitali. Haben Sie ihm nachgeeifert?

Ja. Unser Vater hat immer gearbeitet. Die nächste ältere Person, die da war, war meine Mutter. Aber ich wollte nicht wie meine Mutter werden, klar. Dann war da Vitali. Er hat immer als Erster irgendwas ausprobiert und es mir dann gezeigt. So bin ich auch zum Boxen gekommen. Er ist der wahre Boxer, der wahre Krieger. Er ist damit geboren, ich bin das geworden. Bei ihm ist es authentisch, bei mir ist es nachgespielt.

Wie kam es, dass Sie beide Boxer wurden?

Vitali hat damit angefangen, und ich habe es nachgemacht. Ich habe immer alles nachgemacht, von Kindheit an. Wir sind sehr oft umgezogen, immer wieder neue Schulen, neue Klassenkameraden. Der beste Freund, den ich dabei hatte, war mein älterer Bruder. Eigentlich wollte ich in die medizinische Schule, als ich 14 Jahre alt war.

Sie wollten Arzt werden?

Ja, ich wollte Medizin studieren. Dann wurde mir gesagt, ich müsse erst als Pfleger anfangen. Ich habe gesagt: Ich als Pfleger? Ich will doch Arzt werden. Das Nächste, was mich interessiert hat, war die Sportschule. Ich habe gesehen, dass Vitali immer im Ausland war. Also dachte ich: Okay, dann mache ich erst mal Sport und wechsle dann. Ich bin hängen geblieben.

Es kamen die Olympische Spiele 1996. Sie sind für Vitali nachgerückt und haben Gold geholt.

Ja, auch das war ein Sieg für uns beide. Ich wollte danach nicht mehr boxen. Ich dachte mir, ich gewinne die Olympischen Spiele, und dann war es das. Ich war gerade 20. Und dann kamen die Angebote. Berufssport, das war etwas Neues, Interessantes - und etwas Lukratives. Ich war sehr jung und brauchte auch finanziell Unterstützung.

Sie gelten als der bessere Techniker im Ring, als Bewegungstalent - Vitali gilt als härter im Nehmen, als Kämpfer. Ist das nur ein Geschwisterklischee?

Das ändert sich immer mal wieder. Nach meiner ersten Niederlage als Profi war erst mal Vitali der Star, 1999 wurde er Weltmeister. Dann hat er gegen Chris Byrd verloren und unfassbare Kritiken bekommen: Er habe aufgegeben und sei ein Weichei. Dann habe ich gegen Byrd den Titel gewonnen und war der Star. 2003 kam die Niederlage gegen Corrie Sanders, danach gegen Brewster. Da war das Weichei wieder auf meiner Seite, und Vitali war der Mann, der die Familienehre gerettet hat. So ging es hin und her. Bis jetzt. Zusammen waren wir noch nie so erfolgreich wie zurzeit.

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