die wahrheit: Heiliger Sarrazin und andere Märtyrer
Die Diskussion um die rassistischen Äußerungen des Bundesbank-Herrenreiters Thilo Sarrazin haben zumindest eines bewiesen...
...Deutschlands Reaktionäre befinden sich in einem Zustand des verschärften Selbstmitleids. Ausnahmsweise stimmt hier mal das Klischee von den Deutschen als Jammer-Weltmeister.
"Im Lande der Leisetreter und der politischen Korrektheit wird jeder, der Klartext redet, gleich niedergemacht. Erbärmlich!", schluchzt beispielsweise der Historiker Arnulf Baring. Damit bedauert er sich allerdings zuallererst selbst, denn auch er wurde ja "niedergemacht", als er in einer Fernsehsendung feststellte: "Der Hitler hat ja in einem Maße dieses Land in Bewegung gebracht, was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Er hat in den Dreißigerjahren, was bis in die Vierziger-, Fünfziger- - man kann sagen - in die Sechzigerjahre weitergewirkt hat, den Leuten einen Elan vermittelt, der vollkommen von uns gewichen ist." Wie allgemein bekannt ist, wurde Baring danach enteignet, zwangsbeschnitten, seine Pensionsansprüche wurden ihm gestrichen, und die geschätzten siebentausend Fernsehauftritte nach dieser Äußerung konnte er nur in Anwesenheit einer Hundertschaft Bereitschaftspolizisten absolvieren.
Hans-Olaf Henkel, einst Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und nun Honorarprofessor und freischaffender Schwadroneur, beklagt weinerlich, Sarrazin werde "fertiggemacht" und stellt fest: "Ich kenne keine Demokratie, in der das Aussprechen gewisser Wahrheiten solche Konsequenzen hat." Wenn man die Angelegenheit nur eine Sekunde aus Henkels Perspektive betrachtet, muss man ihm zustimmen: Es ist nicht einzusehen, warum diejenigen, die die politische und wirtschaftliche Macht in diesem Land haben, nicht unkritisiert und von den Medien unbehelligt ihre Meinung sagen dürfen. Ja, wo sind wir hier eigentlich?
Auch Henryk M. Broder, der weiß, wie hart es sein kann, wegen kulturalistischem Eindreschen auf Minderheiten mit einem Job als Spiegel-Autor bestraft zu werden, wirft sich auf den Boden und heult: "Wenn einer bei uns das Kind beim Namen nennt, dann schreit halb Deutschland: Stopft ihm das Maul!"
Unterstützt wird Sarrazin ebenfalls von der hektischen Konservativen Bettina Röhl, die vor Jahren Joschka Fischer als - wer hätte das vermutet? - gewalttätigen, machtgeilen Parvenü entlarvte: "Was Sarrazin gesagt hat, muss jemand sagen dürfen, ohne, dass er persönlich vernichtet wird … Der Weg von der Heuchelei zur Hatz, zur Menschenjagd, ist nicht weit." Auch Bettina Röhl wird ihren Mut zwangläufig damit bezahlen, weiterhin gegen gutes Geld für Die Welt und andere große Zeitungen zu schreiben.
Und Thilo Sarrazin selbst muss jetzt bei vermutlich gleichen Bezügen weniger arbeiten und darf in Zukunft als Experte für gescheiterten Multikulturalismus über die Diskussionsbühnen der Republik zu tingeln. Es ist schon ein hartes Schicksal, ein Märtyrer für die deutsche Sache zu sein.
Die Wahrheit auf taz.de
Leser*innenkommentare
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Gast
Amen! Sie sprechen mir aus dem Herzen, Herr Kurdi!
Das ist ja der Irrsinn, das ausgerechnet diejenigen, welche scheinbar überall präsent sind, sich überall verbreiten können, über angebliche "linke Meinungsdiktaturen" jammern.
Broder, Henkel, Baring und Sinn:
Die 4 telemedialen (Herren-)Reiter
Maddin
Gast
Herr El Kurdi, beim Thema Sarrazin bekommen Sie offensichtlich wieder Zahnschmerzen? ;o)
Ihr Spott ist reflexhaft, heute übergießen Sie damit einen Thilo Sarrazin und jene, die ihm zustimmen, morgen andere.
Sie verkennen immer noch, wie offensichtlich fast alle taz'ler, den Ernst der Lage in Mitteleuropa.
Nun, wir werden ja sehen, wie es politisch weiter geht. Für mich ist aber schon heute klar: Diese Entwicklung wird nicht friedlich enden...
SunshineReggae
Gast
ja Baring. mmh. so eine scheiße. der hat auch einiges in bewegung gebracht. also daß hitler sich zu kleinen jungen hingezogen fühlte, ist ein offenes geheimnis. auf daß das keine nachwirkungen mehr hat.
Hans-Peter Dollhopf
Gast
Sarrazin steht mit seiner Äußerung
"Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate"
in einer Linie mit Vural Öger, ebenfalls SPD. Der sagte:
"Was der gute Süleyman vor Wien nicht geschafft hat, das schaffen unsere geburtenfreudigen Türkinnen in der Bundesrepublik"
Und auch der zutiefst islamische Sheik Abdul Raheem Green aus London äußerts sich in dieser Weise:
"They're not having babies any more. So what if, instead, we have the babies?"
Jetzt fragt sich halt nur noch, was in den Köpfen der Gemüsehändler vor sich geht, die feststellen, dass ihre Kopftücher tragenden Töchter sich bei dem Gedanken ekeln, indigene Deutsche zu heiraten.
Wer Rassismus benennt, der ist nicht unbedingt selbst Rassist, Herr El Kurdi!
Israel
Gast
Hartmut El Kurdi - ist das sowas wie Toyota Prius - ein Zwitterwesen?