Fußball-WM 2010: Verbotene Fifa-Devotionalien

Für die Fußball-WM in Südafrika bereitet die Fifa das große ganz Monopolgeschäft vor. Kleinen Händlern, die handgemachte Fifa-Souvenirs anbieten, droht Ärger.

Das WM-Stadion als Riesenbulette: Auch den Speisenverkauf reguliert die Fifa. Bild: ap

JOHANNESBURG/KAPSTADT taz | Kaj Heyral kann seinen Job. Der Leipziger ist Eventmanager. Vor drei Jahren ist er nach Johannesburg gezogen, um seine Erfahrungen bei der Organisation des größten Sportereignisses der Welt einzubringen. Er arbeitet als Projektmanager für das Lokale Organisationskomitee der Fußball-WM 2010 in Südafrika. Bei der WM in Deutschland hat er die Logistik am Spielort Leipzig organisiert. Jetzt arbeitet er dafür, dass beim Event des Internationalen Fußballverbandes Fifa in Johannesburg alles klappt. Größere Probleme sieht er nicht: "Wir machen genau das Gleiche wie 2006."

Zäune müssen organisiert werden, um das Stadion-Areal weiträumig abgrenzen zu können, damit ja keiner ein Geschäft macht, der nicht einen Vertrag mit der Fifa hat. Zelte müssen her für die riesigen Bewirtungsbereiche, in denen man die Wichtigen unter den WM-Besuchern verköstigen kann. Personal muss ausgewählt und geschult werden. Die WM 2010 wird aussehen, wie eine Fifa-WM eben aussieht. "Bei der Innenausstattung der Zelte wird man eventuell schon merken, dass man in Afrika ist", meint Heyral. Aber für die folkloristischen Einsprengsel im Fifa-Planeten ist er nicht zuständig. Er macht, was er kann. Er sitzt in seinem Büro direkt neben Soccer City, dem riesigen Fußballtempel, der kurz vor seiner Fertigstellung steht, und bereitet das Umfeld für die Geschäfte der Fifa.

"Das sind eben die Regeln." Christa Venter ist in der Stadtverwaltung von Johannesburg für die die WM-Belange zuständig. "Da gibt es Verträge, die müssen eingehalten werden", sagt sie. Ein Teil ihres Jobs ist es, der Fifa gewisse Gebiete der Stadt zum Zwecke der Gewinnmaximierung zu überlassen. In den zwei offiziellen Fanparks und in den Bannmeilen um die zwei WM-Stadien Soccer City und Ellis Park darf nur Geschäfte machen, wer eine Fifa-Lizenz besitzt. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, den zahllosen Straßenhändlern, die tagtäglich aus den Townships in die Innenstädte kommen, um ein paar Rand zu verdienen, klar zu machen, dass sie nichts verkaufen dürfen, was irgendwie auf die WM verweist. Wer einen Anstecker verkaufen will, auf dem ein Fußball und die Zahl 2010 zu sehen, verstößt gegen Markenrecht. Auch das war 2006 in Deutschland nicht anders.

"Wir sind in Verhandlungen mit den Händlern", sagt Christa Venter. Wer durch die Straßen geht, und die Frauen sieht, die auf Minigrills Burenwurst garen, die Männer, die an Kreuzungen Schlüsselanhänger oder Armbänder verkaufen, fragt sich, wie die Stadtverwaltung die erreichen will. Sie sind Teil der informellen Wirtschaft, deren Wesen es ist, nicht organisiert zu sein. "Die Händler können ja Lizenzen erwerben", sagt Venter und weist mit leichtem Schulterzucken darauf hin, dass es auch dem kleinsten Imbiss verboten sein wird, zur Turnierzeit ein spezielles WM-Menu anzubieten.

"Die einen nennen ihn Allah, die anderen Jahwe, aber der wahre Name Gottes ist Fifa." Das sagt Michael Worsnip, der Leiter der World Cup Unit in der Provinz Western Cape. Auch am Kap wird der Fifa jeder Wunsch erfüllt trotz aller kritischer Worte. Kapstadts Bürgermeisterin Helen Zille etwa legt sich schon mal verbal mit Fifa-Boss Sepp Blatter an. Kürzlich hat sie dessen Forderung, dass während des Turniers in Kapstadt kein Baukran aufgestellt sein dürfe, brüsk zurückgewiesen. "Wir überschreiten die Grenzen der Fifa nicht", sagt Worsnip. In Kapstadt hat der Verband sogar die Lage des neuen Stadions im malerisch in Ozeannähe gelegenen Stadtteil Greenpoint diktiert. Der ursprünglich geplante Standort inmitten von ärmlichen Wellblechhütten soll Blatter nicht hübsch genug gewesen sein.

Fast spitzbübisch schaut Michael Worsnip drein, als er zeigt, wie die Provinzverwaltung die Fifa ausgetrickst hat. "Touching the World Cup" haben sie sich als Motto ausgedacht für die Aktionen, die sie im Rahmen der WM organisieren will - Fanpartys vor Großleinwänden etwa. Die sollen Fanjol heißen - als Jol wird in Western Cape eine Sause bezeichnet. Die Worte Fanfest und Fanpark gehören ja der Fifa. Und statt der Plastiktröten, den beim Confederations Cup im Juni zu Ruhm gekommenen Vuvuzelas, die längst auch unter Fifa-Label verkauft werden, wird in der Provinz eine krumme Holztrompete in den südafrikanischen Landesfarben vertrieben.

Die Händler auf den Straßen und Märkten Kapstadts haben sich noch nicht überlegt, wie sie die Fifa austricksen können. Perlenanstecker aus Handarbeit, auf denen Fifa 2010 zu lesen ist, gehören zum Angebot vieler Verkäufer. Dass sie Ärger mit der Fifa bekommen könnten, wissen die wenigsten von ihnen. Dass die Fifa soeben den so bezeichneten Lollipop-Prozess gegen die Supermarktkette Trade Centre gewonnen hat, hat sich noch nicht bis zu ihnen herumgesprochen. Die runden Lutscher, die so eingepackt waren, dass sie wie Minifußbälle aussahen, und unter dem Namen "2010 Pops" vertrieben wurden, müssen aus den Regalen verschwinden, so hat es das Oberste Gericht der Provinz Nord Gauteng entschieden. Die Fifa feiert das Urteil als wegweisend.

Etliche Betriebe in Deutschland haben 2006 ebenfalls die Wucht der Fifa-Macht zu spüren bekommen und staunten nicht schlecht über Abmahnungsbriefe von Verbands-Anwälten. Die Industrie- und Handelskammern veranstalteten Seminare, um ihren Mitgliedern zu erläutern, was erlaubt und was verboten ist. Bei der wohl organisierten Wirtschaft in Deutschland drangen die Informationen schnell auch zu den Bäckern durch, die sich überlegten, WM-Brötchen mit Fußballmuster zu backen. Die Informationen zu den Straßenhändlern in Südafrika werden so leicht nicht fließen. Schon gibt es Befürchtungen, die Händler, die mit ihrem bescheidenen Erlösen nicht selten ganze Familien ernähren müssen, könnten mit Straßenblockaden während der WM dagegen aufbegehren, dass sie nicht alles und nichts in der Nähe der Stadien verkaufen dürfen. Es wäre die Quittung für die Fifa-Politik, eine WM immer nach dem gleichen Muster zu organisieren, ohne darauf zu achten, wie die Gesellschaft in den Ausrichterstaaten organisiert ist.

Kaj Heyral, der deutsche Eventmanager, hat sich dagegen gut eingerichtet in der Fifa-Parallelgesellschaft. Die nächste WM findet 2014 in Brasilien statt. Er hat schon überlegt, ob er da nicht auch einfach wieder das macht, was er kann.

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