Ungleiche Verkehrsverhältnisse: Ramses, der Mann der West-Autobahn

Der neue Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) verlangt 20 Jahre nach dem Fall der Mauer den Ausbau von Straßen und Schienen vor allem im Westen. Hat er damit recht?

Im Westen nichts Neues? In Oberschwaben ist Anfang September ein letztes Teilstück der A7 für den Verkehr freigegeben worden. Bild: dpa

BERLIN taz | Wer mit aufmerksamem Blick die deutsche Provinz in Ost und West bereist und mit jungen Eltern vor Ort spricht, kann einen wesentlichen Unterschied in der öffentlichen Infrastruktur festellen: Im Westen sind häufig sogar Feld- und Waldwege geteert, dafür gibt es kaum Kindergartenplätze; im Osten gibt es zumeist ausreichend Kitaplätze, dafür sind die kommunalen Straßen häufig in einem beklagenswerten Zustand, oft gibt es sogar in Wohngebieten noch unbefestigte Wege. Spinnt also Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) völlig, wenn er meint, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer und Milliarden-Investitionen in das ostdeutsche Straßen- und Schienennetz sei jetzt der Westen dran mit dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur?

Nun, Ramsauers Einlassung allein als bayrische Stammtisch-Aussage abzutun, wäre zu kurz gegriffen. Denn die Anwort ist differenziert. Und sie hängt davon ab, welche Verkehrseinrichtungen man betrachtet: kommunale Straßen und Wege, Bundesstraßen und Autobahnen, Schienen und Bahnhöfe. Bei den kommunalen Straßen und Wegen haben die finanzschwachen ostdeutschen Städte und Gemeinden immer noch einen großen Nachholbedarf. Bei den Bundesstraßen und -autobahnen sieht es aber deutlich anders aus. "Die Autobahnen im Osten sind gut ausgebaut und modern", sagt Andreas Hölzel, Sprecher des Autoclubs ADAC. Zwar gebe es auch im Osten vereinzelt Nachholbedarf, etwa beim stark belasteten nördlichen Berliner Ring, aber im großen und ganzen sei das Autobahnnetz in Ordnung.

Ganz anders im Westen, meint Hölzel. Hier sei die Infrastruktur in die Jahre gekommen. "Von der A1 bis zur A9 müssten alle ausgebaut werden." Diese könnten den normalen täglichen Verkehr kaum noch bewältigen, vom Urlaubsverkehr ganz zu schweigen. Allerdings dürfe das nicht bedeuten, künftig den Osten zu vernachlässigen. "Wir brauchen im ganzen Land ein leistungsfähiges Straßennetz."

Etwas anders sieht das die LKW-Lobby vom Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL). "Sowohl im Osten als auch im Westen gibt es einen enormen Nachholbedarf", sagt BGL-Vize Adolf Zobel. Trotz der Einnahmen durch die LKW-Maut seien die regulären Ausgaben für den Straßenverkehr kaum gestiegen. Dabei gehe es nicht um den Neubau von Autobahnen, sondern um den Erhalt der Infrastruktur. Engpässe gebe es vor allem bei den Parkplätzen für LKW-Fahrer, die häufig nicht wüssten, wo sie ihre gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten einhalten sollen. "Das ist überall ein Problem, vor allem aber auf den Ost-West-Strecken."

Auch die Schienenlobby sieht keinen Anlass für eine Ost-West-Debatte. "Wir haben überall Nachholbedarf", sagt der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Im Westen gebe es etwa besondere Engpässe im Hafenhinterland von Hamburg und vor allem auf der hoch belasteten Rheinschiene. "Da sind wir auch gegenüber der Schweiz in der Pflicht."

Im Osten seien wichtige Vorhaben, auch aus dem Verkehrsprogramm Deutsche Einheit, noch nicht realisiert. So hinke der Ausbau der Strecke Lübeck-Rostock-Stralsund hinterher, ebenso die Strecke von Leipzig nach Dresden. "Das ist ein Unding." Notwendig sei auch der Ausbau der Strecke Berlin-Rostock. Nur bei einem umstrittenen Projekt, nämlich der Strecke Nürnberg-Berlin, positioniere Ramsauer sich klar. "Aber die führt ja auch nach Bayern." Bei den Bahnhöfen in größeren Städten sieht Flege den Osten gut bedacht, hier gebe es in Nordrhein-Westfalen einen riesigen Investitionsstau.

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