piwik no script img

Arte-Doku über den PoHintergründiges zum Hinterteil

Die Kulturgeschichte eines Körperteils zeigt der Sender Arte als gelungene TV-Dokumentation. "Blickfang Po" wird am Donnerstag um 22.25 Uhr ausgestrahlt.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Bild: arte

Ein interessanter Trupp hat sich da versammelt, um einen kleinen Spaziergang durch den Louvre zu machen. Kunsthistoriker, Schriftsteller und Anthropologen sind darunter, geeint werden sie durch ihren Forschungsgegenstand: den Po. "Ich finde nicht, dass wir unsere sexuellen Empfindungen ablegen sollten, wenn wir in ein Museum gehen", gibt Kunsthistoriker Edward Lucie-Smith die Losung aus.

Von den Griechen zu den Malern der Renaissance und der flämischen Schule: Wo immer ein Hinterteil zu sehen ist, da bleibt der Forschungstrupp stehen: Ja, was macht denn da der Finger bei dem steinernen griechischen Jüngling: Bedeckt er züchtig seinen Anus - oder penetriert er ihn? Doch, ganz eindeutig, er penetriert ihn! Wirklich verwundern kann das die Wissenschaftler, die nun mit kindlicher Freude die Analfixiertheit der Antike feiern, aber kaum. Die Griechen, die hatten es nun mal mit den Gesäßen. Die primären Geschlechtsteile waren stets klitzeklein gemeißelt, der Po aber wölbte sich raumgreifend. Männliche Kraft und weiblicher Schutz - beides manifestierte sich im Hinterteil.

Zeigt mir eure Popos und ich sag euch, wer ihr seid: Nach diesem Motto geht es in der Arte-Doku "Blickfang Po" durch Epochen und Ethnien, Moden und Kulturkreise. Wie viel Gesäß ist gesellschaftlich gestattet, gar erwünscht? Mag auch der Forschertrupp im Schweinigelgalopp durch den Louvre ziehen - den Filmemachern Caroline Pochon und Allan Rothschild gelingt es immer wieder, die sozialen Implikationen aufzuzeigen, die in jeder Präsentation eines Hinterns mitschwingen.

Selbst wenn er gut sichtbar ist, bleibt er ein Mysterium. Dämonisierung und Verherrlichung liegen oft dicht zusammen beim Po; als Kristallisationspunkt gesellschaftlicher Tabus taugte er in der Menschheitsgeschichte ebenso wie als Austragungsfläche von Geschlechterkämpfen. So wird in einem Kapitel der Dokumentation auf die Hochzeit der Flagellation, also der Züchtigung durch Schläge aufs Gesäß, im Europa der 30er-Jahre verwiesen. Damals soll es an die 300 Fachbücher gegeben haben, die den Herrn von Welt anleiteten, wie er angemessen seine Gemahlin zu versohlt.

Der Po als Demütigungsobjekt? Keineswegs, so erklärt eine Schriftstellerin, die in dem Bestrafungsritual eher einen wichtigen Kompensationsvorgang ausmacht: Die durch den Ersten Weltkrieg traumatisierten Männer dürfen durch die Machtspiele am weiblichen Leib zumindest symbolisch ihr Ego wieder aufrichten. Ein zärtlicher kathartischer Akt sei das gewesen, so die Flagellationsfürsprecherin.

Mit postfeministischer Proklamierung angesichts patenter Poinszenierungen sollte man jedoch vorsichtig sein: Die schweren Kleider der Belle Époque etwa, bei denen die Rückpartien der Frauen durch gigantische Applikationen zu Pfauenärschen anschwollen, waren eine erniedrigende Last. Wie ein Professor für Morphologie erklärt: "Die Belle Époque war eine der frauenfeindlichsten und sexistischsten Epochen. Kein Wunder, dass sich in dieser Zeit die Frauenbewegung entwickelt hat."

Eine hochinteressante Doku also. Einschalten sollte sie allerdings nur, wer es erträgt, Hinterteil an Hinterteil gereiht zu sehen. Das Objekt der Begierde, es wird hier äußerst lustvoll als Popo-Parade präsentiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!