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EiswetteDie Alt-Apos vom Punkendeich

Die Tradition des winterlichen Obrigkeit-Bashings geht in ihre 181. Runde. FreundInnen des gepflegten Kalauers kamen auch dieses Jahr wieder auf ihre Kosten.

Einmal im Jahr darf dies Stückchen Bremen wieder "Punkendeich" heißen (benannt nach der früher dort statt findenden Prostitution). Bild: Henning Bleyl

Die Lautsprecher sind weitläufig im Gelände verteilt, ein ganz so riesiges Volksfest ist die Eiswette am Sielwallanleger denn doch nicht. Aber immerhin: Einige hundert BremerInnen versammeln sich Jahr für Jahr, um durch den Mund des aufmüpfigen Schneiderleins, der den Aggregatszustand der Weser prüfen soll, so etwas wie die Vox populi zu hören. So auch gestern.

Was andernorts die karnevaleske Büttenrede oder in Oberammergau die Passionsfestspiele sind, verschmelzen die Bremer souverän zu ihrem nun 181. Punkendeich-Spektakel. Kaum ist die Prozession der mit Zylindern geschmückten Würdenträger am Ufer angekommen, beginnt auch schon der satirische Jahresrückblick. Die hochmotivierten Laiendarsteller nehmen diesmal besonders die Querelen um das Heine-Denkmal aufs Korn, auch Wachstumsbeschleunigungsgesetz, der stets abwesende Wirtschaftssenator und die schlecht funktionierenden Bettgestell- beziehungsweise Bachelor-Studiengänge bekommen ihr verbales Fett weg.

Bei aller Kalauerträchtigkeit: Die Eiswette mit ihren lästerlichen Reden steht unzweifelhaft in einer obrigkeitskritischen Tradition. Die Verspottung von Senat und Kaufmannschaft durch einen schlichten Handwerker, dargebracht in Gestalt eines öffentlichen Happenings, könnte man geradezu als volkstümlichen Vorläufer oder populistische Spielart der außerparlamentarischen Opposition (Apo) ansehen. Allerdings wird das aufrührerische Potential dieses Brauchtums längst durch den geschlossenen zweiten Teil der Veranstaltung konterkariert, das Standesdünkel- und Amtspersonen-orientierte Eiswettessen im Congress-Centrum. Dort, vor "rund 700 Herren von respektablem Ruf und Rang", wie das Eiswett-Präsidium ankündigt, wird am 16. Januar Herr von und zu Guttenberg die "Deutschland-und-Bremen-Rede" halten.

Zurück zum Kern der Angelegenheit: Mit Melchior & Co ist mittlerweile der multikulturelle Aspekt des Eiswett-Rituals in Aktion getreten, mit kleinen Gesangseinlagen unterstützen der Mohrenherrscher und seine heiligen Mitkönige das szenische Spiel. Da die Weser "geiht", muss der Schneider mit Hilfe der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger übersetzen. Für die ist das ein gut bezahlter Transfer: Im vergangenen Jahr kamen beim Eiswettessen 302.000 Euro an Spenden zusammen.

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