die wahrheit: Der Abschaffel-Verein

Stammlokale außer Rand und band – Wider die Übel der Welt.

Seit einiger Zeit läuft es irgendwie nicht mehr rund in meiner Stammkneipe, im Kyklamino. Zwar tauchte neulich einer meiner Lieblingsgäste, der Wettkönig Jürgen K., auf und rief in den Raum: "Leute, das Leben ist geil!" Aber oft ist die Stimmung mindestens leicht bescheuert, manchmal auch vollkommen vergrützt.

Wirt Apollo zum Beispiel weigert sich seit Wochen, zum Bier die vorzüglichen Mais- und Reiscracker zu spendieren, die er im Sommer in gigantischen Mengen vorrätig gehalten hatte. Was soll das? Will er sich mit der neuen sozialdemokratischen Regierung seiner Heimat Griechenland solidarisch erklären, die einen brutalstmöglichen Sparkurs angekündigt hat, um den Staatsbankrott abzuwenden? Nun, Apollo ist Sozialdemokrat, und dagegen hilft auch keine Impfung.

Wiederholt ermahnte ich ihn jedenfalls mit den ziselierten Worten "Mehr Mais!", den unerträglichen Zustand zu beenden. "Ruhe, du Kommunist!", fuhr er mich daraufhin jedes Mal an, und Sybille mutmaßt mittlerweile, das sei ein neuer Trend: Wirte randalieren gegen ihre Gäste.

Dann fiel Apollo ein, dass die Kneipe einen neuen Namen vertragen könnte. "Kyklamino! Da wirst du ja bekloppt!", stöhnte er und fragte mich: "Was hältst du von Zur Konkurrenz?" - "Bei dir sind doch nicht mehr alle Hirnfugen sauber verputzt", sagte ich und maulte herum, er solle endlich die Luft aus dem Glas lassen. "Dann sag du was!", fauchte Apollo zurück. "Sauschuppen", sagte ich, "oder: Chez Chef."

Schließlich einigten wir uns darauf, dass ich die Leser dieser Zeitung auffordere, Vorschläge zur Namensänderung einzureichen. Hiermit rufe ich also die Leser dieser Zeitung dazu auf, für das Kyklamino in Frankfurt einen neuen Namen zu finden. Der Gewinner der Ausschreibung bekommt ein Jahr lang jeden Montag Freibier im Kyklamino. Montag ist Ruhetag im Kyklamino, das unter uns.

Vergangene Woche war die Stimmung endgültig auf dem Tiefpunkt. Warum? Niemand wusste es. Wegen der Kälte vielleicht, murmelten die einen, wegen der Scheißregierung, sagten die anderen, wegen der miesen Musikbox, behaupteten die Nächsten. Das ging so weiter, bis ich, den Kopf über mein Weizenbierglas gesenkt, fragte: "Sollen wir nicht einen Verein zur Abschaffung der Übel der Welt gründen?" - "Klasse!", schrie Andi. "In Deutschland gibt es noch nicht genug Vereine! Wir brauchen sofort eine Satzung!"

Ich wurde beauftragt, die Satzung des Vereins zur Abschaffung der Übel der Welt zu verfassen und in dieser Zeitung zu veröffentlichen, verbunden mit dem Aufruf zur Mitgliederwerbung in der gesamten Republik.

Ich drücke mich nicht davor und gebe deshalb bekannt: "Im Kyklamino zu Frankfurt am Main wird der Verein zur Abschaffung der Übel der Welt gegründet. Ziel der Aktivitäten der Mitglieder des Vereins zur Abschaffung der Übel der Welt ist die Abschaffung sämtlichen Zeugs, das den Aufenthalt in der Welt zu einer unerquicklichen und ungemütlichen Angelegenheit macht. Der Verein zur Abschaffung der Übel der Welt ist gemeinnützig und setzt sich für die Ausrottung der Eselsgrippe, des Warmbiers, des Liebeskummers, von Sat.1 und Springer, von Magenweh und Mist, von Banken, Quatschberufen und kapitalistischem Bestreben ein. Ferner fordert der Verein zur Abschaffung der Übel der Welt Maßnahmen gegen das Wiedererstarken von Hertha BSC, gegen das Lärmen, gegen die Hässlichkeit unserer Flüsse und so weiter und so fort. Der Verein zur Abschaffung der Übel der Welt steht jedem offen, der ernsthaft und stetig für die Abschaffung der Übel der Welt einzutreten gewillt ist, insbesondere den Lesern der taz."

Ist unter den Lesern dieser Zeitung ein Anwalt, der das mal ins Reine schreiben und weiter konkretisieren (detaillierte Zielsetzungen und Aktionsformen, Postenstruktur, Geschäftsordnung etc.) und für uns die juristischen Formalitäten erledigen könnte? Für einen Montagabend lang Freibier im Kyklamino - oder wie der Elendsladen dann auch heißen mag?

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kari

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