die wahrheit: Käsekuchen des Verderbens

Es klingelte, und draußen standen Claudia und Jörn. ...

... Sie sahen aus, als ob sie sich gestritten hätten, und Jörn trug eine Schüssel unter dem Arm - eine Schüssel, in der sich ein Kuchenteig befand.

"Kommt rein", sagte ich: "Bin sehr gespannt, was das zu bedeuten hat." - "Ganz einfach", sagte Claudia: "Dieser Mann ist entschlossen, alle unsere Freunde hinzumeucheln: Und zwar mit diesem Kuchen!" - "Hör nicht auf sie", sagte Jörn, "sie muss sich irgendwo mit einer bösartigen Form von Esoterik angesteckt haben." - "Esoterik? Ha! Und was ist mit Mathilda? Mit Raimund? Was ist mit deiner Hand?!"

Seine Finger waren zu dicken, lila schimmernden Würsten geschwollen, und ich erfuhr, dass er beim Rühren des Kuchenteigs irgendwie mit der Hand in den Mixer geraten war, was erstens zu der Fingerverwurstung und zweitens zu einem schwerwiegenden Kurzschluss in der Hauselektrik geführt hatte.

"Danach", setzte Claudia ihre Erzählung fort, "fuhren wir mit dem Teig zu Mathilda. Kaum betrat sie mit uns die Küche, löste sich ein Hängeschrank von der Wand, krachte zuerst auf den Herd, dann ihr auf den Fuß. Nachdem wir sie zum Röntgen in die Klinik gebracht hatten, fuhren wir zu Raimund. Bei ihm gab es einen Knall im Ofen, als er ihn zum Vorheizen anschaltete: Die Ofentür prallte ihm gegen die Stirn, und während der Ofen keinen Mucks mehr tat, war auch er ein Fall für den Unfallarzt."

"Seis drum!", sagte Jörn: "Der Kuchen muss gebacken werden! Es geht um den Segen deines Vaters!" - "Der Kuchen", stotterte ich, "ist für deinen Vater?" Claudia nickte. Ich wusste, dass Ambrogio Cuccuziello seine Tochter quasi verstoßen hatte, seitdem sie den Heiratsantrag von seinem Patensohn Ugo ausgeschlagen hatte und es vorzog, mit Jörn in wilder Ehe zu leben. "Jetzt", sagte Jörn, "nach fast fünfzehn Jahren, hat Claudias Mutter ihn überreden können, uns doch einmal zu besuchen. Und weil ich weiß, dass er eine Schwäche für Käsekuchen hat, werde ich ihm einen Kuchen backen, der sein Herz erweichen und seinen Zorn hinwegfegen wird."

"Schade nur, dass jeder Ofen explodiert, dem du dich näherst", sagte Claudia. "Quatsch!", brummte Jörn und wandte sich an mich: "Ich hoffe, du glaubst ihr nicht." - "Natürlich nicht", sagte ich, "aber … weißt du: Mein Ofen ist kaputt; seit ein paar Tagen …" - "Was?" - "Ja, er wird heiß, kalt, wieder heiß …" - "Das ist doch nicht wahr!?" - "Aber ja! Probier es aus!" - "Dazu haben wir keine Zeit." - "Tja, dann …"

Wenige Tage später erfuhr ich, dass die beiden anschließend zu Theo gefahren waren. Auch ihm bescherte ihre Visite einen zerstörten Ofen und eine Wunde, die genäht werden musste. Und weil auch der Kuchen, den sie am Ende in der rasend teuren Konditorei Klingelheimer kauften, unerklärlicherweise nach Kalbsleberwurst schmeckte und daher dem alten Cuccuziello - denn er war der Erste, der ihn probierte - nur finsterste Flüche entlockte, werde ich wohl ganz gute Chancen auf mildernde Umstände haben, wenn dereinst vor dem Jüngsten Gericht das Strafmaß für meine kleine Notlüge festgelegt wird.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.